Der Zitronentisch
Blonde sagte fest, aber nicht überzeugend: »Ich bin Debbie.«
Da hätte er gehen sollen. Er hätte aus Respekt vor Babs, aus Treue zu Babs gehen sollen.
Vor dem hermetisch verschlossenen Fenster zog die Landschaft vorüber, wie jedes Jahr, aber er sah keine Form darin. Manchmal verwechselte er die Treue zu Babs mit der Treue zu Pamela. Er holte seine Thermosflasche aus dem Marschgepäck. Manchmal – ach, nicht oft, aber es war vorgekommen – hatte er das Ficken mit Babs und das Ficken mit Pamela verwechselt. Es war, als ob er zu Hause gewesen wäre. Und als ob es zu Hause geschehen wäre.
Er war in das Zimmer gegangen, das früher Babs gehört hatte. Gleichfalls renoviert. Er nahm nicht wahr, was neu war, sondern nur, was von früher fehlte. Sie fragte ihn nach seinen Wünschen. Er gab keine Antwort. Sie nahm ihm etwas Geld ab und gab ihm einen Gummi. Er stand da und hielt ihn in der Hand. Babs hatte nicht, Babs hätte nicht …
»Soll ich ihn dir überziehen, Opa?«
Er hatte ihre Hand weggeschlagen und seine Hose fallen lassen, dann die Unterhose. Er wusste, dass er nicht richtig denken konnte, aber es schien ihm so das Beste zu sein, das einzig Mögliche. Schließlich war er deshalb hergekommen. Schließlich hatte er jetzt dafür bezahlt. Der ehrenwerte Kamerad stellte sein Licht einstweilen unter den Scheffel, doch wenn er ihm klarmachte, was jetzt verlangt wurde, wenn er den Befehl gab, dann … Er spürte, dass Debbie ihn beobachtete, halb im Stehen, mit einem Knie auf dem Bett.
Er ließ den Gummi über seinen Schwanz glitschen und hoffte, nun würde der Funke zünden. Er sah Debbie an, er sah die dargebotene Obstschale an, aber das half auch nichts. Er schaute auf seinen schlappen Schwanz hinunter, auf den runzeligen Gummi mit seiner hängenden, unfüllbaren Zitze. Er spürte die Erinnerung an gleitfähig gemachten Gummi an den Fingerspitzen. Er dachte bei sich, okay, alles klar, das war’s.
Sie zog eine Hand voll Papiertücher aus der wattierten Schachtel auf dem Nachttisch und reichte sie ihm. Er trocknete sich das Gesicht ab. Sie gab ihm ein bisschen von sei nem Geld zurück; nur ein bisschen. Er zog sich schnell an und ging hinaus auf die blendend hellen Straßen. Er wan derte ziellos herum. Eine Digitalanzeige über einem Ge schäft sagte ihm, dass es zwölf Minuten nach drei war. Er merkte, dass der Gummi noch an seinem Schwanz hing.
Schafe. Kühe. Ein Baum mit Föhnfrisur. Ein dämliches kleines Feldlager von Bungalows voll mit dämlichen Arschlöchern, bei denen er am liebsten geschrien und gekotzt und die Notbremse gezogen hätte, oder was zum Teufel sie heutzutage statt einer Notbremse hatten. Dämliche Arschlöcher, genau wie er. Und jetzt fuhr er in seinen eigenen dämlichen kleinen Bungalow zurück, den er über Jahre hinweg mühsam instand gesetzt hatte. Er schraubte die Thermosflasche auf und goss sich Kaffee ein. Zwei Tage in der Flasche und eiskalt. In alten Zeiten hatte er das Zeug immer mit dem Inhalt eines Flachmanns aufgefrischt. Jetzt war es einfach nur kalt, kalt und alt. Geschieht dir recht, was, Jacko?
Er müsste die kleine Terrasse vor den französischen Fenstern nochmal mit Bootslack überstreichen, weil diese neuen Gartenstühle immer wieder die Farbe abschabten … Der Abstellraum könnte auch einen neuen Anstrich vertragen … Er müsste den Rasenmäher wegbringen und die Klingen schärfen lassen, nicht, dass das heutzutage noch jemand machen wollte, die guckten einen einfach nur an und rieten, so ein Luftkissendings mit einem orangen Plastikteil statt einer Klinge zu kaufen …
Babs war Nora. Er musste keinen Gummi benutzen, weil sie wusste, dass er nirgendwo anders hinging, und sie konnte schon lange nicht mehr schwanger werden. Sie kam nur einmal im Jahr aus dem Ruhestand heraus, ihm zuliebe; ich hab dich halt ganz gern, Jacko, das ist alles.
Eimmal hatte sie einen Witz über ihren Seniorenpass gemacht, und so hatte er erfahren, dass sie älter war als er; auch älter als Pam. Einmal, als sie im Laufe des Nachmittags noch eine ganze Flasche schafften, hatte sie angeboten, ihre oberen Zähne rauszunehmen und ihn zu lutschen, und er hatte gelacht, es aber ekelhaft gefunden. Babs war Nora, und Nora war tot.
Die Kameraden beim Regimentstreffen hatten nichts gemerkt. Er hatte Disziplin gehalten. War nicht knülle gewesen. »Bekommt mir nicht mehr so gut, um ehrlich zu sein, alter Knabe«, hatte er gesagt, und irgendwer hatte gekichert, als wär das ein Witz. Er hatte
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