Der zögernde Schwertkämpfer
durch das Dach hinausklettern können.
Er hatte nicht viel von seiner Ankunft hier mitbekommen, doch er beobachtete, wie nach ihm andere hereingebracht wurden. Wenn der Gefangene weder bewußtlos noch hinreichend fügsam war, wurde er zusammengeschlagen, dann entkleidet und auf den Boden gelegt. Ein großer Steinquader mit zwei Kerben am unteren Rand wurde ihm dann hochkant über die Beine gestellt, und damit waren seine Fußgelenke an den Boden gefesselt.
Das war alles.
Er brauchte einige Stunden, bis er sich wieder so weit erholt hatte, daß er sich aufsetzen konnte; er hatte Prellungen und Schwellungen am ganzen Körper, und alles tat ihm weh und war beschmiert mit Erbrochenem und getrocknetem Blut, innerlich und äußerlich. Er hätte alle Schätze des Tempels eingetauscht für ein Glas Wasser, und er hatte das Gefühl, daß ihm gleich mindestens sechs Zähne herausfallen würden. Durch halbgeschlossene Augenlider spähte er erschöpft zu der Reihe von sitzenden Männern, die allesamt mit den Füßen in der niedrigen Mauer von Steinblöcken steckten, die durch die Mitte des Raums verlief. Es waren außer ihm fünf, und er befand sich am Ende der Reihe.
Sein Nachbar lächelte ihn nervös an und unternahm dann den Versuch, einem Höhergestellten seinen Gruß zu entbieten, so gut es eben im Sitzen ging; er stellte sich als Innulari, Heilkundiger der Fünften Stufe, vor.
Wallie brauchte ein paar Minuten, um seine Gedanken zu sammeln. »Ich bin Shonsu, Schwertkämpfer der Siebten Stufe, mein Lord«, sagte er. »Ich bedaure, daß ich Euren Gruß nicht formgerecht erwidern kann, aber ich bin so verwirrt, daß mir die Worte nicht einfallen.«
Der Heilkundige war ein kleiner, pummeliger Mann, dessen Nacktheit den schwabbeligen Körper schonungslos enthüllte. Er hatte schlaffe, fast weibliche Brüste und einen fleischigen Hängebauch. Sein Kopf war oben kahl, und die verklebten Haare an den Seiten standen in alle Richtungen ab. Er sah wirklich ekelerregend aus, doch so waren sie alle, Wallie vielleicht am meisten.
Der Heilkundige lächelte geziert. »Oh, Ihr braucht mich nicht mit ›Lord‹ anzusprechen, mein Lord. ›Meister‹ ist die richtige Anrede für einen Fünftstufler.«
Mindestens fünf Zähne, schätzte Wallie dumpf. »Ich bitte um Verzeihung, Meister Innulari. Ich wünschte, ich könnte Eure Dienste in Anspruch nehmen, doch bedauerlicherweise verfüge ich im Moment nicht über die nötigen Mittel.«
Der fette kleine Mann betrachtete ihn mit Interesse. »Macht diese Bewegung«, sagte er und schwenkte einen Arm. »Und jetzt diese …«
Wallie gehorchte und bewegte sich, so gut er es mit festgeklammerten Füßen konnte; jede Zuckung bereitete ihm Schmerzen.
»Vielleicht ein paar gebrochene Rippen«, entschied der Heilkundige befriedigt. »Ihr habt nicht viel Blut gebrochen, also dürften die inneren Verletzungen nicht allzu schwer sein. Es handelt sich offenbar um das Werk von Spezialisten, denn als ich Euch sah, rechnete ich mit Schlimmerem.«
Wallie fiel wieder ein, welche Anweisungen Hardduju seinen Schlägern gegeben hatte, bevor die Strafaktion begann. »Es wurde ihnen befohlen, meinen Wert nicht allzusehr zu mindern«, erklärte er. »Der Oberste Anführer erwartet, fünf Goldstücke für mich zu bekommen.«
»Geht es um Denunziation?« fragte Innulari entsetzt. »Oh, ich bitte um Vergebung, mein Lord; das geht mich nichts an.«
Erschöpft erklärte Wallie, so gut er konnte, daß er am Tag zuvor einen Schlag gegen den Kopf erhalten und sein Gedächtnis verloren hatte. Deshalb war er nicht in der Lage gewesen, den Gruß des Obersten Anführers in der korrekten Weise zu erwidern.
»Und daraufhin hielt er Euch für einen Hochstapler!« Der kleine Mann sah aufgebracht und mitleidig aus. Anscheinend fühlte er sich so geehrt, neben einem Siebentstufler zu sitzen, daß er zögerte, zu der gleichen Schlußfolgerung zu kommen. »Das ist natürlich eine abscheuliche Geschichte. Und wenn er Euch denunziert hat, dann bekommt er Euch als Sklave, versteht ihr?«
Wallie nickte und wünschte im selben Moment, es nicht getan zu haben. »Wie wird man die Zeichen aus meinem Gesicht entfernen?«
»Sie nehmen ein Brandeisen«, erklärte Innulari treuherzig. »Damit werden sie Euch wahrscheinlich auch mit dem Sklavenstreifen markieren, um die Kosten für eine fachmännische Ausführung zu sparen.«
Großartig.
In diesem Moment fingen die beiden Männer neben Innulari eine Rauferei an, indem sie seitlich und
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