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Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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Der Junge schüttelte den Kopf. »Rache? Das ist nicht das Richtige.«
    »Aber ich glaube jetzt an die Göttin!« protestierte Wallie, und seine Stimme überschlug sich. »Ich werde bereuen. Ich werde beten. Ich werde Ihr dienen, wenn Sie es mir gestattet. Ich werde Schwertkämpfer sein, wenn Sie das von mir wünscht. Alles werde ich tun!«
    »Du liebe Zeit!« murmelte der Junge spöttisch. »Eine so unerwartete Hingabe!« Er schwieg und musterte den anderen mit starrem Blick; Wallie hatte das merkwürdige Gefühl, geprüft und gelesen zu werden – wie ein Buchhalter eine Zahlenreihe mit dem Auge bis zur untersten Ziffer abfährt. »Es ist ein sehr kleiner Glaube, Mr. Smith.«
    »Mehr habe ich nicht«, sagte Wallie. Es war fast ein Schluchzen.
    »Es ist nicht mehr als ein Funken Zweifel in Ihrem Unglauben. Sie werden Beweise bringen müssen.«
    Das hatte er befürchtet. »Das Göttliche Gericht?«
    Der Junge verzog das Gesicht. »Sie wollen doch nicht Harddujus Sklave werden, oder? Er würde Sie bestimmt doch nicht verkaufen – er hätte zuviel Spaß daran, einen Siebentstufler in seinem Keller in Ketten gebunden zu haben! Es gibt viele Vergnügungen, die er noch nicht ausprobiert hat! Sie stellen sich also doch wohl lieber dem Göttlichen Gericht, meinen Sie nicht?« Zum erstenmal grinste er wieder sein zahnlückiges Grinsen. »Der Trick ist folgender: Wenn Sie sich widersetzen, versetzt man Ihnen einen Hieb auf den Kopf und wirft Sie über den Rand des Vorsprungs. Dann schlagen Sie auf dem Felsen auf. Wenn Sie jedoch wegrennen und weit hinausspringen, dann landen Sie im tiefen Wasser. Es ist eine Glaubensprobe.«
    »Ich kann mit diesen Füßen nicht rennen«, sagte Wallie. »Ist überhaupt noch etwas von ihnen übrig?«
    Der Junge drehte sich kurz um, um sich Wallies Füße anzusehen, dann hob er die Schultern. »Auf dem Platz der Gnade steht ein Heiligtum. Beten Sie dort um die Kraft zum Rennen.« Seine Umrisse wurden immer verschwommener, je mehr das Licht verblaßte. »Ich habe Ihnen gesagt, daß es um etwas Wichtiges geht. Es ist eine seltene Gelegenheit für einen Sterblichen.«
    »Ich habe nicht viel Übung im Beten«, sagte Wallie kleinlaut, »aber ich will mein Bestes tun. Ich hatte daran gedacht, für Innulari zu beten. Hätte ihm das geholfen?«
    Der Junge warf ihm einen sonderbaren Blick zu. »Es hätte ihm nicht geholfen, aber es hätte Ihnen geholfen.« Er machte eine kurze Pause und sagte dann: »Die Götter zaubern keinen Glauben aus dem Nichts hervor, Mr. Smith. Ich hätte Sie dazu bringen können, zu glauben, aber dann wären Sie ein Werkzeug gewesen, kein selbständig Handelnder. Die Dienste eines Sterblichen sind für die Götter wertlos, wenn sie nicht freiwillig geleistet werden – und Freiwilligkeit kann nicht befohlen werden. Begreifen Sie? Doch wenn der Glaube einmal da ist, können die Götter ihn verstärken. Sie haben einen Funken gefunden. Ich kann einen Funken zur Flamme anblasen. Diesen Gefallen werde ich Ihnen tun, als Gegenleistung dafür, daß Sie mit soviel Mitgefühl an den Heilkundigen gedacht haben.«
    Er zupfte ein Blatt von seinem Zweig. Im selben Moment schien das tobende Feuer in Wallies Füßen mit eiskaltem Wasser gelöscht zu werden. Der Schmerz erstarb, und alle anderen Schmerzen ebenso.
    »Bis zur Abenddämmerung«, sagte der Junge.
    Wallie stammelte Dankesworte, stotternd vor Erleichterung. »Ich weiß nicht einmal, wie ich dich nennen soll«, sagte er.
    »Nennen Sie mich ruhig weiterhin Kurzer«, sagte der Junge, und sein zahnlückiges Grinsen war im aufsteigenden Licht des Traumgottes soeben sichtbar. »Es ist lange her, daß ein Sterblicher so respektlos war. Sie machen mir Spaß.« Seine Augen glitzerten in der Dunkelheit. »Haben Sie mal ein Spiel namens Schach gespielt – wissen Sie was passiert, wenn ein Bauer ans Ende seiner Reihe gelangt?«
    Der Spott war nicht zu überhören, aber Wallie verdrängte schnell seine aufkeimende Wut. »Sir, es kann gegen jede andere Figur mit Ausnahme des Königs ausgetauscht werden.«
    Der Junge schmunzelte. »Sie haben also das Ende Ihrer Reihe erreicht und sind ausgetauscht worden. Das ist doch einfach, oder nicht? Denken Sie morgen daran, so weit wie möglich zu springen, dann werden wir uns wiedersehen.«
    Dann war der Steinblock leer.
    In seiner zweiten Nacht im Gefängnis schlief Wallie einen gesunden Schlaf, doch gegen Morgen fand er sich an einem Tisch sitzend. Es war eine Erinnerung, eine Szene aus seiner Jugend,

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