Der zögernde Schwertkämpfer
die so lebensecht vor ihm ablief, daß er den Geruch der Zigarettenstummel riechen und entfernte Jazzmusik aus einem Radio im anderen Zimmer hören konnte … grüner Filz in der Dunkelheit, von einem Licht darüber erhellt; Spielkarten, Aschenbecher und Gläser. Bill saß zu seiner Linken, Justin zu seiner Rechten, und Jack war aufs Klo gegangen.
Er führte in einem Bridgespiel, mit doppeltem Einsatz, betrunken, verletzbar nach hohen Gewinnen, in einem jener verrückten Spiele, bei dem die Karten in Bündeln ausgeteilt wurden. Kreuz war Trumpf, und er hatte noch die letzte Karte davon, die Zwei. Bill legte ein Pik zu Wallies einsamem As auf dem Tisch und schob ihm das As zuvorkommend hin. Justin bediente. Das zwang Wallie, als nächster herauszukommen, und sie warteten auf ihn.
Er übertrumpfte sein eigenes As, und eine Stimme sagte: »Baff!« Dann bekam er sieben gute Herzkarten auf die Hand. Die Verteidiger waren in Bedrängnis – was immer sie ablegten, er konnte mithalten. Er hörte sich selbst siegesgewiß brüllen … peng, drauf, jawoll, verdoppelt, noch mal verdoppelt, verdreifacht, Spiel und Robber! Er griff nach dem Anschreibeblock. Er spürte ihn zwischen den Fingern. Dann war er verschwunden, er selbst befand sich wieder im Gefängnis, und der erste Schimmer des Morgengrauens erhellte langsam den Himmel im Osten.
Der Glaube an Götter, so entdeckte er, führte einen dazu, auch an Gottesbotschaften zu glauben. Wer gab einem schlechte Karten auf die Hand … beteiligten sich die Götter an den Spielen der Menschen, um sich die Ewigkeit zu vertreiben? Pik beim Bridgekartenspiel ist weniger wert als das Schwert beim Tarockspiel – hatte die Göttin Ihr eigenes Schwert-As, Shonsu, mit Wallie Smith, der Kreuz-Zwei, der kleinsten Karte eines Spiels, übertrumpft?
Als das Tageslicht heller wurde, kehrten die Schmerzen zurück. Aber so hatte es der kleine Junge vorausgesagt, und er glaubte daran, daß er heute aus dem Gefängnis geholt würde.
Ein Gott hatte es versprochen.
Im Tempelgericht war man emsig gewesen. Die Todesschwadron holte an diesem Tag sechs Gefangene, und der erste Name auf der Liste lautete: »Shonsu, Schwertkämpfer der Siebten Stufe, von einem Dämon besessen.« Wenn Innulari mit seiner Deutung richtig gelegen hatte, dann hatte der alte Honakura den Machtkampf verloren.
Wallie wurde brutal die Treppe hinaufgeschleift und dann durch einen Wachraum, und schließlich ließ man ihn schlaff auf ein hartes, von der sengenden Sonne erhitztes Pflaster fallen. Er hatte nicht geschrien. Er blieb einen Augenblick lang ruhig liegen, kämpfte gegen das Schwindelgefühl an, das ihm die Schmerzen in den Gliedern und die Wunden verursachten, und verdrehte die Augen im grellen Sonnenlicht. Dann setzte er sich mit aller Anstrengung auf, während die anderen heraufgezerrt und neben ihm zu Boden geworfen wurden, winselnd oder brüllend. Nachdem er einen Blick auf seine Füße geworfen hatte, versuchte er, sie nicht mehr anzusehen.
Er lag am Rand eines weitläufigen Hofes, einem Paradeplatz ähnlich, und die Hitze tanzte darauf in kleinen Wellen. Hinter ihm befand sich das Gefängnis, und er hörte den Fluß dahinter fröhlich plappern. An zwei Seiten war der Hof von gewaltigen Gebäuden gesäumt, und die hohen Spitztürme des Tempels reckten sich in der Ferne empor. Die vierte Seite öffnete sich in eine himmlische Landschaft, einen Park mit üppigem Grün.
Die Priester gingen von dannen, nachdem ihre Arbeit verrichtet war. Ein gelangweilt dreinblickender Schwertkämpfer der Vierten Stufe war jetzt offenbar der Verantwortliche. Zackig und zu vollem Glanz herausgeputzt, schlug er sich mit einer Peitsche lässig gegen die Stiefel und ließ den Blick über seine Opfer schweifen.
»Zehn Minuten, damit ihr euch wieder an eure Beine gewöhnen könnt«, verkündete er. »Dann marschiert ihr über den Platz und zurück. Oder kriecht, ganz wie euch beliebt.« Die Peitsche knallte laut.
Ein Zweitstufler in einem gelben Kilt, mit einem frischen Gesicht, kam herbei und warf jedem der Verurteilten ein schwarzes Tuch als Lendenschurz zu. Als er zu Wallie kam, runzelte er die Stirn und sah zu seinem Vorgesetzten hinüber.
»Für den lassen wir wohl besser einen Karren kommen«, sagte der Viertstufler.
Wallie entgegnete mit lauter Stimme: »Ich bin ein Schwertkämpfer. Und ich werde laufen.« Er nahm das Lendentuch, riß es in zwei Hälften und fing an, sich einen Fuß damit zu umwickeln.
»Du bist ein
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