Der zögernde Schwertkämpfer
unbehaglichem Schweigen vor sich hin oder flüsterten nervös.
Dann kamen zwei Priester, drei Schwertkämpfer und vier Sklaven mit Gepolter die Treppe herunter und rümpften wegen des Gestanks die Nasen.
»Innulari, Heilkundiger der Fünften Stufe, wegen Pflichtverletzung …
Kinaragu, Schreiner der Dritten Stufe, wegen Diebstahls …
Närrin, Sklave, wegen Unbotmäßigkeit.«
Ein Priester rief die Namen auf, ein Schwertkämpfer deutete auf die jeweilige Person. Sklaven hoben den entsprechenden Steinquader hoch und zogen das Opfer heraus. Jeder brüllte auf, wenn die steifen Beine mit Gewalt geknickt wurden, einer nach dem anderen wurde weggezerrt. So wurden also Wallies direkte Nachbarn und ein Mann weiter unten in der Reihe zur Exekution abgeholt, und die Todesschwadron entfernte sich wieder. Anschließend wurde der Korb mit den Früchten weitergereicht.
Wallie merkte, daß ihm der schwatzhafte Innulari fehlen würde. Eine oder zwei Stunden später hörte er das Läuten der Glocke. Er überlegte sich, ob er ein Gebet an die Göttin, an die der Heilkundige so sehr glaubte, zu dessen Gunsten richten sollte, doch er tat es nicht. Im Laufe des Vormittags wurden weitere fünf Männer hereingebracht. Obwohl es am anderen Ende noch Platz für etliche mehr gegeben hätte, schien der Raum auf einmal überfüllt. Wallie bekam zwei neue Nachbarn, die entzückt waren, einen Schwertkämpfer der Siebten Stufe im Gefängnis zu sehen. Sie machten sich lustig über ihn und antworteten mit Unflätigkeiten, als er sich mit ihnen unterhalten wollte. Er war erschöpft vor Schmerzen und Schlafmangel, doch wenn er einzunicken drohte, versetzten sie ihm boshafte Stöße.
Plötzlich herrschte absolute Stille. Wallie hatte vielleicht doch ein wenig geschlummert, denn als er aufblickte, sah er den Obersten Anführer, der ihn von der sicheren Seite der Steinquader aus mit zufriedener Verachtung betrachtete. Er hielt eine Bambusgerte in beiden Händen und ließ sie geistesabwesend federn; es bestand kein Zweifel, wen er sich als Opfer ausgesucht hatte. Wallies erster Gedanke war, daß er keine Angst zeigen durfte. Das war nicht allzu schwer, denn sein Gesicht war so geschwollen, daß darin wahrscheinlich überhaupt keine Regung zu erkennen war. Sollte er den Versuch einer Erklärung unternehmen oder sollte er schweigen? Er wog immer noch die beiden Möglichkeiten gegeneinander ab, als das Verhör begann.
»Welches ist das erste Sutra?« fragte Hardduju.
»Ich weiß nicht«, sagte Wallie ruhig – wenigstens hoffte er, daß es ruhig war. »Ich …«
Bevor er noch etwas sagen konnte, ließ der Oberste Anführer die Bambusgerte quer über Wallies linke Fußsohle zischen. Das war schlimm – sowohl der direkte Schmerz als auch der Reflex, der ihn mit dem Fuß hochzucken ließ, so daß er sich die Haut des Gelenks an dem Stein abschabte. Hardduju beobachtete seine Reaktion genau und anscheinend mit Genugtuung.
»Welches ist das zweite Sutra?« Nun war der rechte Fuß dran.
Und mit dem dritten Sutra ging es wieder zum linken. Wie viele gab es wohl? Nach dem sechsten Sutra ersparte sich der Sadist jedoch die weitere Befragung und fuhr einfach mit den Schlägen fort, während er Wallies Pein mit einem immer breiteren Lächeln und offensichtlicher Erregung, die sein rotes, glänzendes Gesicht verriet, beobachtete. Er wechselte nach Lust und Laune von einem zum anderen Fuß und täuschte manchmal einen Hieb vor, um sich am Zucken des Beins gegen den Stein in Erwartung des Schmerzes zu ergötzen.
Wallie setzte zum Versuch einer Erklärung an, fand jedoch kein Gehör. Er versuchte es mit Schweigen, und Blut füllte seinen Mund, weil er sich so fest auf die Zunge biß. Er versuchte es mit Brüllen. Er versuchte es mit Flehen. Er weinte.
Anschließend mußte er wohl in Ohnmacht gefallen sein, denn ihm fehlte jede Erinnerung an das Entschwinden des Ungeheuers. Wahrscheinlich litt er auch unter einem Schock, denn den Rest des Tages verbrachte er in einem verwirrten Dämmerzustand – einer endlosen, zitternden, verschwommenen Hölle. Vielleicht war es gut, daß er seine gemarterten Füße nicht sah, die in dem Backofen auf der anderen Seite des Steinquaders lagen. Die Sonne zog ihre Bahn, die Schatten des Dachgebälks krochen über ihn, und die Fliegen kamen, um seine Wunden zu inspizieren. Seine Nachbarn verhöhnten und stießen ihn nicht mehr.
Der Abendkorb war an der Reihe vorbeigezogen, und er hatte ihn vorbeiziehen lassen, ohne etwas zu
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