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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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in den Ausläufern der Sorkaten. Vielleicht kann ich noch einen Tag reiten, dachte sie, als sie sich zum Schutz vor der Feuchtigkeit unter einem Felsüberhang zusammenkauerte. An ein Feuer war nicht zu denken. Das Pferd schien ebenso missmutig zu sein wie sie selbst und kaute mürrisch auf dem feuchten Inhalt seines Futtersacks herum.
     
    Zwei Tage später dachte sie mit Wehmut an die letzte Nacht zurück, die sie trocken und halbwegs warm in Ardoly verbracht hatte, und an das prächtige Naturschauspiel, das sich ihr an diesem Abend geboten hatte. Seitdem hatte der Regen nicht mehr aufgehört, und ein scharfer und kalter Wind sorgte dafür, dass sie nicht nur durchnässt war, sondern mittlerweile auch am ganzen Leib zitterte. In den Regen mischte sich immer häufiger Schnee, kalte, nasse Flocken, die Schlimmes ahnen ließen.

    Auf dem steinigen Pfad, der zum Erköl-Pass hinaufführte, quälte sich die Stute, die sie nun am Zügel führte, nur noch voran, und sie musste genau darauf achten, wohin das Pferd treten konnte.
    Das langsame Vorankämpfen auf dem Passpfad war anstrengend, und schon lange, bevor es dunkel wurde, beschloss Artaynis, einen Unterschlupf zu suchen. Nach einer Weile entdeckte sie eine Höhle, die groß genug für sie und die Stute war. Zwar bot der mannshohe, weite Eingang keinen wirklichen Schutz vor dem Wind, aber zumindest vor der Nässe würde sie eine Weile in Sicherheit sein.
    Sie band ihrem Pferd die Vorderbeine locker zusammen, sattelte es ab und hängte ihm den Futtersack um. Mit klammen Fingern kramte sie in den Satteltaschen nach ihrer Öllampe. Beim dritten Versuch, sie zu entzünden, gelang es ihr endlich. Die Höhle war größer, als sie von außen angenommen hatte. Nachdem sie sich eines Teils ihrer nassen Sachen entledigt und etwas Brot und Käse gegessen hatte, nahm sie die Lampe und ging neugierig weiter in die Höhle hinein. Sie verspürte keine besondere Lust, sich zum Schlafen in ihre nasse Decke zu wickeln. Solange sie in Bewegung blieb, war ihr wenigstens warm.
    Im hinteren Teil der Höhle verengten sich die Wände und bildeten eine Art Gang. Artaynis zögerte einen Moment, aber da der Tunnel mehr als doppelt so breit war wie sie selbst, trat sie schließlich hinein. Nach vielleicht fünfzig Schritten erweiterte sich der Gang, und sie gelangte in eine weitere Kaverne. Zu ihrer Überraschung wurde das Licht ihrer Lampe hier hundert-, nein tausendfach reflektiert.
    Helle Steinsäulen wuchsen aus dem Boden und von der Decke herab und bildeten bizarre und prachtvolle Formationen. Vorsichtig streckte Artaynis die Hand nach einem der Kristalle aus und brach ein winziges Stück ab. Es lag schwer und kühl in ihrer Hand.

    Dann entdeckte sie die Zeichnungen. Hinter einem besonders großen Stalagmiten hatte jemand eine Jagdszene an die Wand gemalt, eine schlichte Strichzeichnung, ausgeführt mit Kohlenstaub oder Pflanzenfarbe, und doch erstaunlich lebendig. Trotz aller Einfachheit ließ sich sofort erkennen, was die Zeichnung zeigte. Ein Troll stand einer großen Katze gegenüber. Beute und Jäger umkreisten sich, dann sprang der Troll vor. Auf dem nächsten Bild rangen beide miteinander, und auf dem letzten Bild trug der Troll, unzweifelhaft der Sieger der Begegnung, seine Beute auf den Schultern davon.
    Sie malen, schoss es Artaynis durch den Kopf. So wie wir Bücher schreiben, um Erinnerungen aufzubewahren, malen sie ihre Geschichten auf die Wände.
    Sie dachte an die gefährlich aussehenden Trollpranken, die sie in Teremi gesehen hatte, und versuchte sich vorzustellen, wie diese die kunstvollen Bilder hier geschaffen hatten, aber es fiel ihr schwer. Selbst Kerr, der verständigste der Trolle, war immer noch ein urtümliches Wesen, und sein dunkler Begleiter Wrag war für die junge Dyrierin mehr Naturgewalt als Kreatur gewesen.
    Sie löste sich vom Anblick der Zeichnungen und kehrte in die Haupthöhle zurück. Ihr Körper forderte sein Recht, sie war todmüde, und sie wusste, dass der nächste Tag, der sie endlich über den Pass führen würde, nicht weniger anstrengend werden würde als der hinter ihr liegende.
    Sobald sie sich in ihre klamme Decke gewickelt hatte, fiel sie rasch in einen unruhigen Schlaf.
    Sie träumte von Kerr und den übrigen Trollen, die überall um sie herum Bilder einer gewaltigen, unwirklichen Schlacht entstehen ließen.

46
    Ohne es zu planen, war Azot näher an die Oberfläche gewandert. Die Luft war hier kühler und der Fels anders. Es war nicht mehr

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