Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
die Wlachaken sich hielten. Ihre einzigen Gedanken galten ihrem eigenen Überleben. Ihr Atem ging stoßweise, der rechte Arm schmerzte von einer langen Schramme, und ihre Seite war feucht, ohne dass sie wusste, ob von ihrem eigenen Blut oder von dem ihrer Feinde. Ihre Instinkte leiteten ihre Bewegungen, ließen sie sich ducken, parieren,
angreifen und ausweichen, in einer endlos scheinenden Abfolge.
Dann erschallte ein Horn, und die Reihen des Imperiums zogen sich plötzlich zurück. Keuchend blieb Ana stehen, sog gierig Luft in ihre Lungen. Erst als einige Krieger vorstürmten, um die Feinde zu verfolgen, richtete sie sich wieder auf.
»Halt! Zurück! Zurück, viermal verflucht!«
Unwillig wurde ihrem Befehl Folge geleistet. Der Moment der Ruhe gab ihr Zeit, sich umzusehen. Die Wlachaken hatten sich ebenfalls etwas zurückgezogen. Ihre Reihen hatten sich gelichtet, aber ihr Angriff hatte die Goldenen Garden schwer getroffen. Doch ein Stück weiter unterhalb ihrer eigenen Position formierten sich die imperialen Armeen wieder.
»Sammelt alle Reiter, die noch ein Pferd haben«, befahl Ana brüsk. »Haltet sie hinter den Fußsoldaten.«
In einiger Entfernung registrierte sie die trügerisch langsame Bewegung eines Katapults, und schon raste das feurige Geschoss auf sie zu. Nur wenige Schritt über Ana brauste es durch die Luft und schlug hinter ihr und ihren Söldnern ein. Flüssiges Feuer spritzte umher, umhüllte Krieger, fraß sich durch Rüstungen und Fleisch, fiel in unlöschbaren Tropfen auf Leiber.
»Zurück! Wir müssen aus der Reichweite dieser verdammten Bastarde!«
Sie rannte den Hang hinauf. Ein Soldat wälzte sich auf dem Boden, Flammen leckten über seine Haut. Ein anderer versuchte, das Feuer zu löschen, schlug mit einem Umhang auf ihn ein. Mit hartem Griff packte Ana den Mann und zerrte ihn mit, obwohl ihr die bestialischen Schreie des Sterbenden in den Ohren gellten.
»Das kann man nicht löschen«, erklärte sie. »Weg hier.«
Weitere Geschosse fanden ihr Ziel, doch der Rückzug rettete viele von Anas Kriegern. Auch die Wlachaken hatten
sich wieder auf ihre ursprüngliche Position zurückgezogen, gerade außerhalb der Reichweite der Katapulte.
»Die haben die Hosen gestrichen voll«, feixte Tiradar, der sich mit einem fleckigen Tuch den Schweiß von der Stirn wischte, als er Ana entdeckte.
»Das? Das war nur ein Geplänkel, eine kurze Begrüßung«, erwiderte sie mit einem prüfenden Blick zum Himmel. Und es ist so wenig Zeit verstrichen. Bald wird die zweite Welle kommen, und die Sonne steht noch hoch über dem Horizont. Wie viele dieser Angriffe können wir überstehen, bevor unsere Reihen brechen? Sie wusste die Antwort auf die Frage nicht, aber die erschöpften Gesichter der Masriden und Szarken um sie herum sprachen eine deutliche Sprache. Der Abend war noch fern, und das Imperium hatte genug Reserven, um viele weitere Angriffe frischer Soldaten gegen die müden Kämpfer des Landes zwischen den Bergen einzuleiten.
66
Eine leichte Brise war aufgekommen, und die bunten Wimpel, mit denen das Zelt der dyrischen Heerführer geschmückt war, flatterten geräuschvoll im Wind. Artaynis versuchte, sich davon nicht ablenken zu lassen, sondern weiterhin den Gesprächen im Inneren zu lauschen. Aber ihre Gedanken waren nicht bei den endlosen Floskeln und Höflichkeiten, die ein weiterer Bote kniend vortrug, der soeben von dem Pass gekommen war, an dem sich die Armeen gesammelt hatten.
Das Zelt selbst war mit goldener Stickerei geradezu überladen, und die Männer, die darin saßen und mit lauter Stimme über Taktik und Truppen redeten, mussten auf keinen Luxus verzichten.
Während ihre Soldaten in die Schlacht reiten, lassen sie sich die teuersten Köstlichkeiten aller Art reichen, dachte Artaynis und konnte sich des Gefühls des Ekels nicht erwehren, das ihr in der Kehle aufstieg, während sie Kamros beobachtete. Der imperiale Beamte thronte inmitten des Zeltes und hielt Hof, als sei er der Goldene Imperator selbst. Seit Stunden schon trafen immer neue Berichte von den vordersten Linien der Front ein, darüber, wie die Wlachaken sich aufgestellt hatten, welche Einheiten den Kern ihrer Truppen bildeten und welche die Flanken. Die ersten Gefechte waren ohne deutliches Ergebnis geblieben, aber der Tag war noch lang.
Artaynis stand bescheiden im Hintergrund, bei den Dienern, wie Kamros es verlangt hatte, obwohl er genau wusste, was für einen Affront das gegen sie und das Haus Vulpon darstellte.
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