Der Zorn des Highlanders
muss es nicht. Im Augenblick ist das Wichtigste, Payton zu helfen. Wir können nicht zulassen, dass er diese Frau heiratet.«
Gillyanne schüttelte sich angewidert. »Nein, ganz bestimmt nicht. Sie würde ihn restlos unglücklich machen.« Sie rieb sich mit einem Finger das Kinn, während sie mit gerunzelter Stirn nachdachte. »Am besten wäre ein Name, aber Katherine ist vielleicht die Einzige, die ihn kennt.«
»Stimmt, aber es muss noch weitere Anhaltspunkte geben, die wir sammeln können. Payton verbringt eine Menge Zeit am Hof. Wenn wir ihm genug über diesen Knappen erzählen, wird er wissen, um wen es sich handelt. Vielleicht hat er ihn und Katherine ja zusammen gesehen.«
»Aber könnte er Cameron dazu bringen, ihm zu glauben? Selbst wenn er einen Namen nennt? Könnte Payton Cameron wenigstens überreden, nach der Wahrheit zu suchen?«
»Ich denke schon«, antwortete Avery. »Erst kürzlich habe ich in Camerons Augen einen Ausdruck gesehen, der mich vermuten lässt, dass er inzwischen ein wenig an Katherines Behauptungen zweifelt.«
»Trotzdem will er Payton noch immer vor den Altar schleppen.«
»Da ist das Kind und die Tatsache, dass sich kein anderer Bräutigam angeboten hat. Die erste Person, mit der wir sprechen müssen, ist Katherines Magd.«
»Sie geht uns aus dem Weg«, sagte Gillyanne, als sie Avery zur Tür folgte.
»Wir versuchen ein letztes Mal, sie zu stellen, und danach holen wir uns Hilfe von Anne.«
Avery und Gillyanne gingen zur Tür hinaus und prallten fast mit Cameron und Leargan zusammen. »Ihr sucht uns?«, fragte Avery, während sie versuchte, sich an Cameron vorbeizuschlängeln und Gillyanne mit sich zu ziehen.
»Ja«, erwiderte Cameron, der sie genau beobachtete.
»Ach, du liebe Zeit. Gut, ich werde Euch später sehen, nicht wahr? Aber Gillyanne und ich müssen gerade jetzt unbedingt etwas erledigen.«
Cameron sah den beiden Mädchen nach, die fortstürmten, dann schaute er Leargan an. »Willst du mir erzählen, dass sie nichts im Schilde führen?«
»Oh nein«, versicherte ihm Leargan lachend. »Sie haben eindeutig etwas vor. Wohin willst du?«, fragte er, als Cameron sich wieder auf den Weg in die große Halle machte.
»Mir einen ordentlichen Schluck genehmigen. Vielleicht auch mehr als einen. Und ich werde erst aufhören, wenn ich irgendwo in der Burg Schreie höre.«
20
»Hat jemand Avery gesehen?«, fragte Cameron, als er misstrauisch die Frauenkemenate betrat.
Er sah sich im Raum um und schauderte innerlich. Es war ein wunderschönes Zimmer, in dem er sich normalerweise sehr gerne aufhielt. Doch im Moment knisterte die Luft geradezu vor Anspannung und Abneigung. Gillyanne saß bei Anne und hatte offensichtlich die Absicht zu nähen, doch die meiste Zeit starrte sie Katherine an. Cameron kannte diesen Blick. Unter ihm fühlte der Angestarrte sich bis ins Innerste bloßgestellt. Anne nähte gelassen, hatte aber zugleich ein wachsames Auge auf Gillyanne und Katherine. Katherine hielt von Zeit zu Zeit in ihrer Näharbeit inne, um Gillyanne wütend anzufunkeln. Tante Agnes machte vor dem Kamin ein Nickerchen, in seliger Ahnungslosigkeit.
»Hast du deine Bettgespielin am falschen Platz abgesetzt und kannst sie jetzt nicht mehr finden?«, fragte Katherine.
Cameron trat eben auf seine Schwester zu, um ihr einen scharfen Verweis zu erteilen, als er ein weibliches Fauchen vernahm, das sich so sehr nach Avery anhörte, dass er herumfuhr. Doch dann erkannte er, dass das Geräusch von Gillyanne gekommen war. Er sandte ihr einen finsteren Blick zu, der sie allerdings nicht im Geringsten einzuschüchtern schien, und wandte sich wieder an Katherine.
»Berichtige mich, wenn ich mich irre, Katherine«, sagte er mit gedämpfter und kalter Stimme, »aber sitzt du nicht unverheiratet hier herum und bekommst vom Kind irgendeines Mannes einen dicken Bauch?« Er nickte, als sie rot wurde. »Du wirst in Bezug auf Avery deine Zunge im Zaum halten. Und nun noch einmal: Weiß jemand, wo Avery ist?«
»Im Garten«, antwortete Gillyanne, die ihn einen Augenblick musterte und dann fragte: »Ihr habt eine Nachricht von unserer Familie?«
»Wie habt Ihr das erraten? Eure Vorahnungen können einem großes Unbehagen bereiten, Mädchen.«
»Ach, Ihr seid ein so mutiger Junge, das beunruhigt Euch doch eigentlich gar nicht, oder?« Gillyanne lächelte und zwinkerte ihm zu.
An Annes zuckenden Schultern erkannte Cameron, dass diese Frau leise in sich hineinlachte. Kurzzeitig wollte er sich davon
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