Der Zorn Des Skorpions
er nicht selbst genug Herzen gebrochen und Kummer heraufbeschworen hatte, aber trotzdem, er konnte Böses vorausahnen, schon seit seiner Kindheit.
»Daran ist dein Indianerblut schuld«, hatte sein Vater immer gebrummt, wenn Nate von diesen Vorahnungen sprach. »Mütterlicherseits. Ihr Urgroßvater – oder war’s der Ur-Urgroßvater? – war eine Art indianischer Schamane gewesen. Konnte Leute durch Handauflegen heilen. Oder verfluchen. Behauptet deine Mutter jedenfalls. Er war Arapaho, glaube ich, oder doch Cheyenne? Auch egal. Einmal hat er im Traum eine Klapperschlange gesehen, und das reichte. Er wurde Medizinmann. Hatte wahrscheinlich die gleichen komischen Vorahnungen wie du, mein Junge.«
Nach solchen leicht getrübten Erkenntnissen biss sein Alter dann einen Klumpen Kautabak ab und kaute ihn höchst zufrieden durch, um ihn gleich wieder auszuspucken und sich mit dem Ärmel den Mund abzuwischen. »Nichts als Blödsinn, wenn du meine Meinung wissen willst.«
Santana allerdings hatte seine Bauchgefühle nicht eine Sekunde auf seine Herkunft zurückgeführt. Doch an diesem Abend spürte er etwas da draußen. Etwas Dunkles und vertraut Böses. Etwas Bedrohliches. Für Regan.
Er biss die Zähne zusammen und riet sich, es zu ignorieren. Er mochte solche Vorahnungen nicht und wollte sich keinesfalls wie Ivor Hicks wegen seiner angeblichen Entführung durch Aliens dem Gespött der Leute aussetzen, oder wie Grace Perchant, der Frau, die Wolfshunde züchtete und behauptete, mit den Toten zu kommunizieren, oder Henry Johansen, ein Bauer, der vor fünfzehn Jahren vom Traktor gestürzt war, sich den Kopf angeschlagen hatte und seitdem sagte, er könnte die Gedanken anderer »hören«. Nein, Santana hielt lieber den Mund, wenn es um seine Vorahnungen ging, statt sich vor den Leuten in der Stadt lächerlich zu machen.
Was Regan betraf, so würde er sie früher oder später schon treffen. So war es immer. Außerdem waren sie ja schließlich nicht verheiratet und eigentlich noch nicht einmal ein Paar; so und nicht anders wollten sie es beide.
Er ging in die Reithalle, wo Lucifer ihn nach wie vor böse ansah und mit den Hufen im weichen Boden scharrte. Er war ein großes schwarzes Hengstfohlen mit einer zackigen Blesse und einer weißen Socke und einem garstigen Charakterzug, den die einen als Freiheitsliebe bezeichneten, andere aber schlicht als Widerspenstigkeit. Für Nate war es dasselbe. Jetzt blähte das langgliedrige Fohlen die Nüstern, in den Augen war das Weiße sichtbar, sein glattes Fell schwitzte und wies Schaumflecke auf.
»Alles ist gut«, sagte Santana leise, obwohl er tief im Inneren vom Gegenteil überzeugt war. Und das Pferd wusste es auch. Darin bestand Santanas Begabung oder vielmehr seine »Gabe«. Er liebte Tiere nicht nur, er konnte sie auch verstehen, insbesondere Pferde und Hunde. Er respektierte sie so, wie sie waren, dichtete ihnen keine menschlichen Züge an und hatte nach Jahren der Beobachtung und des Sammelns von Erfahrungen gelernt, mit ihnen zu arbeiten.
Manche bezeichneten ihn als schrägen Vogel, andere verglichen ihn mit einem Schlangenbeschwörer oder führten es auf sein halbindianisches Erbe zurück, während er im Grunde nur Vernunft, Entschlossenheit und Freundlichkeit einsetzte. Er wusste einfach, wie er mit Tieren zu arbeiten hatte. Vielleicht lag das an dem Arapaho in ihm, aber er glaubte es eher nicht.
Nate nahm ein Seil von einem Haken an der Wand, schlüpfte durch das Tor der Reithalle, und als es hinter ihm klickend ins Schloss fiel, näherte er sich langsam dem Pferd. Wieder jaulte der Wind durch die Schluchten und rüttelte an den Fenstern, woraufhin es in der Schulter des großen Hengstfohlens zu zucken begann.
»Schschsch.« Santana kam immer näher. Stetig. Ruhig. Obwohl er tief im Inneren genau die Anspannung empfand, die das Pferd ausstrahlte, eine Angst, vergleichbar der Panik in Lucifers wild rollenden Augen. Jeden Augenblick konnte das Tier durchgehen.
Rumms!
Die Tür zum Stall wurde aufgestoßen.
Santana erstarrte.
Und Lucifer schoss davon wie der geölte Blitz. Von null auf fünfzig in drei kurzen Sprüngen, mit aufblitzenden, donnernden Hufen, ließ er den Sand aufspritzen und galoppierte so dicht an Santana vorüber, dass dieser den Atem des Tieres hörte und seine Körperwärme spürte. Der eisige Wind von Montana stob heulend in den Stall.
Santanas Hund, ein großer Sibirischer Husky, jaulte so laut auf, dass es im Nachbarland hätte Tote
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