Der Zorn Des Skorpions
Jeep zwischen Bäumen hindurchschleuderte und über Felsbrocken hinwegschoss. Metall krachte und kreischte, Glassplitter und kalte Luft brachen ins Wageninnere ein, der Airbag prallte gegen Regans Oberkörper.
Bamm!
Der Jeep fiel auf die Seite. Metall knirschte, spitze Steine und Geröll bohrten sich durch die Tür. Heftiger Schmerz fuhr durch Regans Nacken und Schulter, und sie wusste sofort, dass sie verletzt war.
Warmes Blut quoll aus einer seitlichen Kopfwunde. Wie auf Schienen raste der Jeep durchs Unterholz, dann überschlug er sich.
Mit der einen Hand klammerte sie sich ans Steuer, mit der anderen hielt sie immer noch ihre Pistole umfasst. Die Welt drehte sich um sie, ihre Zähne schlugen aufeinander. Vor ihrem geistigen Auge sah sie die Opfer des Mörders. Momentaufnahmen in schneller Abfolge, von nackten Frauen, tot, mit bläulicher Haut, Eis und Schnee im Haar, so fest an Baumstämme gebunden, dass die Haut verfärbt und aufgesprungen und Blut geflossen war, bevor es gefror.
Bamm!
Der Kühler barst beim Aufprall, der Ruck ging Pescoli durch sämtliche Knochen. Ihre Schulter brannte wie Feuer, der Airbag zwängte sie ein, aufgewirbelter Staub geriet ihr in die Augen.
Unter dem Geräusch von reißendem Metall prallte der Jeep von einem Baum ab und raste den Abhang hinunter. Das Kühlerblech zerknautschte, ein Reifen platzte, immer schneller ging es bergab.
Pescoli konnte in Todesangst kaum einen klaren Gedanken fassen und kämpfte gegen die drohende Bewusstlosigkeit. Sie hielt ihre Pistole fest, tastete am Armaturenbrett nach dem Schalter, der das Magnetschloss ihrer Gewehrhalterung entriegelte, für den Fall, dass sie die Waffe überhaupt zu fassen bekam.
Aber sie musste. Denn wenn sie den Absturz überlebte und irgendein Kerl mit einer Waffe zu ihrer Rettung kam, würde sie ihn drankriegen. Ohne lange zu fragen. Flüchtig dachte sie an ihr verpfuschtes Leben: an ihre Kinder und ihren verstorbenen ersten Mann, an ihren zweiten Mann, Lucky, und schließlich an Nate Santana, den sexy Herumtreiber, mit dem sie sich nie hätte einlassen dürfen.
Es gab so vieles, was sie bereute.
So darfst du nicht denken. Bleib wach. Bleib am Leben. Halte dich bereit für diesen Wahnsinnigen und schieß ihm den Schädel weg.
Sie biss die Zähne zusammen und drückte die Taste des Magnetschlosses, doch nichts rührte sich. Das Gewehr löste sich nicht. Verzweiflung stieg auf, aber noch hatte sie ja ihre Pistole. Sie schloss die Finger um die Waffe und spürte sie tröstlich in ihrer Hand liegen.
Nicht lange fragen, gleich schießen.
Noch einmal hörte sie Knirschen und Ächzen von Metall, als das Dach unter den Überrollbügeln einbrach und auf sie zukam.
Grell blitzte die Erkenntnis auf, jetzt sah sie ganz klar. Sie wusste nun, dass sie jetzt sterben würde.
Perfekt!
Befriedigt sehe ich zu, wie der Jeep sich überschlägt und über den Rand des Abgrunds in die Schlucht stürzt. Bäume wanken, der Schnee fällt in großen Haufen von den Zweigen, und die Geräusche von reißendem Metall und splitterndem Glas werden vom Sturm gedämpft.
Aber ich darf mich nicht auf meinen Lorbeeren ausruhen oder mir auf die Schulter klopfen, denn dort wartet Arbeit auf mich. Und diese hier, Regan Elizabeth Pescoli … nein, besser:
Detective
Pescoli ist anders als die anderen.
Womöglich erkennt sie mich.
Sofern sie lebt.
Sofern sie bei Bewusstsein ist.
Ich muss auf der Hut sein.
Rasch rolle ich die Plastikplane zusammen, die ich dort ausgebreitet hatte, von wo ich einen so perfekten, präzisen Schuss auf die Straße abfeuern konnte. Ich schnalle sie auf meinen Rucksack und vergewissere mich, dass die Skibrille meine Augen verdeckt und mein Gesicht von Skimütze, Kappe und Kapuze verdeckt wird. In der Gewissheit, meine Identität damit geheim halten zu können, schultere ich mein Gewehr und stapfe durch den hohen Schnee, froh darüber, dass die Verwehungen meine Spuren bald verdeckt haben werden.
Mein Fahrzeug habe ich in einem verlassenen Holzfällerlager abgestellt, zwei Meilen von der Stelle entfernt, wo der Jeep aufgeschlagen ist. Zwei Meilen durch steiles, unwegsames Gelände, das zu durchqueren mich Stunden kosten wird. Pescoli ist keine zierliche Frau, und womöglich wehrt sie sich.
Doch auf all das bin ich vorbereitet.
Ich wandere an der Rückseite des Berges hinab, der die Straße überblickt, an der Straße dann krieche ich durch ein Kanalrohr, um meine Spur zu verwischen. Es ist eng und dunkel, kein Wasser
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