Der Zorn Des Skorpions
Mom zu Hilfe kommen.
Er wollte es gerade versuchen, als sich die Eisentür am Ende des Gangs scheppernd öffnete und Moms Partnerin hereinkam. Sie sah erschöpft, aber gleichzeitig entschlossen aus.
»Kommen Sie wegen mir?«, fragte er.
»Ja, du wirst entlassen.«
»Holt mein Stiefvater mich ab?«
»Du kannst dein eigenes Fahrzeug nehmen.«
Jeremy überlegte, was das zu bedeuten hatte. »Und Mom?«
»Wir suchen sie immer noch. Der Sheriff hat veranlasst, dass die Klage gegen dich fallengelassen wird.«
Erleichterung überkam ihn, gemäßigt durch tiefer gehende Sorgen. Er sah sich nach dem schnarchenden Ivor um. »Ein Glück, dass ich mir nicht länger anhören muss, wie er von Aliens entführt wurde. Oder Geschichten von seiner toten Frau, einer von den schönen Kress-Mädchen, oder von dem Yeti, der Mr. Long umgebracht hat.«
Es sah fast so aus, als würden sich ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln verziehen, doch das geschah nicht. »Ivor ist ein schillernder Typ.«
»Es war wohl doch kein Yeti, oder?«
»Unseres Wissens nicht.«
Sie schloss die Tür auf, und er verließ die Zelle. Er wollte ihr noch mehr Fragen nach seiner Mom stellen, doch es lag auf der Hand, dass sie ihm nichts sagen würde. »Also, dann geh ich mal.«
»Ich an deiner Stelle würde zu deinem Stiefvater, deiner Stiefmutter und deiner Schwester zurückkehren«, sagte sie.
»Ja.« Doch Jeremy hatte längst andere Pläne. Vielleicht fuhr er zu einem Freund, zu Ty. Um irgendwas zu unternehmen.
»Bleib du bei deiner Familie. Wir finden sie«, versicherte Alvarez ihm, ging voran und schloss die Tür am Ende des Gangs auf.
Er nickte, lief zur Tür hinaus und dann die Treppe hinauf, um sein Handy und seine Schlüssel abzuholen.
Tydeus Melville Chilcoate traute niemandem.
Schon gar nicht Fremden, die mitten im schlimmsten Schneesturm seit Jahrzehnten vor seiner abgelegenen Hütte auftauchten. Und doch stand jetzt dieser Kerl da auf seiner eingesunkenen Eingangsterrasse. Er entriegelte die Kette nicht, die sowieso niemanden, der wirklich Einlass begehrte, aufgehalten hätte, aber das Gewehr, das er hinter der Tür versteckt in der Hand hielt, würde schon seinen Zweck erfüllen.
»Chilcoate?«, fragte der große Kerl. Seine Augen unter der Krempe eines Cowboyhuts, auf dem sich Schnee sammelte, leuchteten dunkel. »Ich bin Nate Santana. Ich arbeite … hm, habe für Brady Long gearbeitet.«
Chilcoate umfasste den Gewehrschaft fester, blieb jedoch ruhig. »Ich habe gehört, was passiert ist. Schlimme Sache.«
»Ja.« Der Typ schien es nicht zu glauben. »Zane MacGregor hat mich an Sie verwiesen. Er sagte, Sie könnten mir vielleicht helfen.«
Dieser Idiot!
MacGregor hätte den Mund über Chilcoate halten müssen; das war Teil ihrer Absprache! »Sie haben kürzlich mit ihm gesprochen?«
»Gerade eben.«
»Tja.« Widerwillig öffnete Chilcoate die Tür, und Santana trat ins Haus. »Bleiben Sie stehen«, befahl Chilcoate, und Santana gehorchte. »Was wollen Sie?«
»Ich brauche Hilfe bei der Suche nach Brady Longs Mörder«, erklärte Santana. Er reichte Chilcoate eine zusammengerollte Landkarte, eine Namensliste und eine Art zusammengestoppelte Biografie des besagten Toten. »Ich habe alles, was mir einfiel, zusammengesucht. Die Namen von Scharfschützen. Karten der Umgebung. Was ich über Brady weiß.«
»Waren Sie mit ihm befreundet?«
»Ich kannte ihn schon lange.«
»Und Sie wollen seinen Mörder finden«, wiederholte Chilcoate.
»Ich suche nach einem Zusammenhang zwischen ihm und diesem abartigen Unglücksstern-Mörder. Ich glaube, es handelt sich um ein und denselben Mann.« Santanas Blick wurde düster, er biss die Zähne zusammen.
»Moment mal«, sagte Chilcoate und wies Santana seinen abgeschabten Lehnsessel zu, in dem dieser widerwillig Platz nahm. Er machte den Eindruck, als wolle er bei der geringsten Provokation aufspringen und jemandem an die Gurgel gehen.
Dann trat Chilcoate in das größere seiner zwei Zimmer, das er sich als Büro eingerichtet hatte, und schloss die Tür hinter sich. Es gefiel ihm nicht, dass sich Santana hier zwischen seinen Sesseln aus zweiter Hand, dem zerkratzten Mobiliar und dem riesigen Fernseher aufhielt, der den Großteil des Raums in seinem Wohnbereich einnahm, aber was blieb einem übrig, wenn man Freunde wie MacGregor hatte?
In seinem Büro befanden sich sein Computer, mehrere Telefone und ein Funkgerät. Das alles war nur Fassade, bestehend aus der elementaren
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