Der Zorn Des Skorpions
beugte sich vor. In dem Anruf ging es nicht um ihre Mom. Jeremy saß mal wieder in der Klemme. Natürlich. Statt Grips hatte er eben nur Holzwolle im Kopf. Cisco war bei weitem klüger als er.
»So. Gut. Danke.«
Dad legte den Hörer auf, und Michelle fragte: »Was ist mit Regan?«
»Nichts Neues«, war die düstere Antwort.
Bianca hielt sich am Türpfosten ihres Schlafzimmers fest und ließ sich langsam zu Boden gleiten.
Mom, wo bist du?
Sie kämpfte gegen die Tränen und hielt den Blick auf das Bild von Dad und Michelle im Spiegel gerichtet. Michelles hübsches Gesicht hatte nun einen deutlich verspannten Zug angenommen.
»Und? Was hat Jeremy angestellt?«, wollte sie wissen.
»Er hat sich mit Cort Brewster geschlagen und sitzt nun in der Ausnüchterungszelle.«
Dad sah sich um, als suchte er seinen Mantel. »Soll ich ihn da schmorenlassen?«
»Ja! Er muss seine Lektion mal lernen.«
»In der Ausnüchterungszelle im Büro des Sheriffs? Während seine Mutter verschwunden ist, womöglich entführt wurde?«
»Daran hätte er denken sollen, anstatt sich noch mehr Probleme aufzuhalsen.«
»Hätte er. Aber hat er nicht.« Jetzt wurde Dad ärgerlich.
Michelle änderte unverzüglich die Taktik, streckte die Hand nach ihm aus und tätschelte sanft seinen Brustkorb. »Soll er einfach mal über ein paar Dinge nachdenken, mehr will ich ja gar nicht. Ich will heute Abend keine große Szene, also lass uns die Sache auf morgen verschieben, ja? Vielleicht können wir so tun, als wären deine Kinder gar nicht bei uns. Wie es eigentlich hätte sein sollen.«
Bianca tauchte aus Angst und Kummer auf und betrachtete ihre Stiefmutter eingehender. Ihr Dad sah sie ebenfalls an.
»Was soll das heißen?«, fragte er.
»Gar nichts«, sagte sie hastig. »Ich möchte – dich nur mal für mich allein haben. Ich will nicht, dass du heute Abend hinter Jeremy herrennst.«
Dad seufzte schwer. Plötzlich wünschte Bianca dringendst, dass er Jeremy abholte, ihn zurück nach Hause holte, doch Michelle hatte ihm zugesetzt. »Es bringt ihn nicht um, wenn er ein paar Stunden in der Zelle sitzt«, knurrte er.
Michelle schlang die Arme um seinen Nacken und küsste ihn auf eine Art, dass Bianca hätte kotzen können. Sie löste sich von der Tür und trat zurück in ihr Zimmer. Sie war wütend und verletzt. Michelle wollte sie nicht im Haus haben, sie und Jeremy. Alles war nur Theater. Es war von Anfang an Theater gewesen, das erkannte sie jetzt.
Ach, Mom, komm und hol mich ab!,
flehte sie stumm.
Schnell. Und entschuldige bitte. Ich will nicht bei denen wohnen. Komm nach Hause!
Cisco trottete ins Zimmer. Als würde er ihren Kummer spüren, kam er zu ihr, stemmte die Pfoten gegen ihre Beine und blickte bang zu ihr auf. Sie drückte ihn an sich, und er leckte ihr Gesicht, was sie früher eklig gefunden hätte, jetzt aber ließ sie sich gerne trösten.
»Ach, Hundchen«, sagte sie mit brechender Stimme und vergrub das Gesicht in seinem Fell.
Mom, dir darf nichts passiert sein. Bitte, bitte, bitte nicht.
»Gibt’s was Neues in der Suche nach Pescoli?« Brewster steckte den Kopf in Alvarez’ Büro.
»Nein.« Selena antwortete angespannt.
Der zweite Sheriff nickte mit finsterer Miene. Wegen Jeremy hatte er sich einigermaßen beruhigt, und Selena hatte Lucky angerufen und ihm Jeremys Aufenthalt mitgeteilt, doch der Junge hockte immer noch mit Ivor Hicks in der Ausnüchterungszelle. Kein Mensch schien zu wissen, wie es weitergehen sollte, doch Selena hatte deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Jeremy ihrer Meinung nach entlassen werden sollte. Das hatte sie auch den Stiefvater wissen lassen, doch Lucky hatte sich nicht geäußert, ob er ihn abholen wollte oder nicht, was im Grunde gut war, denn Brewster hätte vermutlich doch versucht, es zu verhindern.
»Du solltest nach Hause gehen«, sagte Brewster.
»Ich gehe nach Hause, wenn der Sheriff geht.« Es ärgerte sie, dass Cort Brewster nach seinem üblen Auftritt glaubte, ihr Befehle erteilen zu können.
»Grayson ist noch hier?«
Wir sind noch hier,
hätte Selena gern gesagt. Niemand wollte nach Hause gehen, solange Regan sich in den Fängen dieses Unholds befand.
Als hätte man ihn gerufen, tauchte Grayson im Flur auf und blieb neben Brewster stehen. »Kommt Jeremys Stiefvater und holt ihn ab?«, fragte er Alvarez.
»Der Junge wird heute Abend nicht freigelassen«, mischte Brewster sich ein. Wenn er sich auch beruhigt hatte, war er doch keineswegs bereit nachzugeben.
Grayson
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