Der Zorn Des Skorpions
noch den Kopf aufgeworfen, als Santana ihm das Zaumzeug angelegt hatte. Er führte sich genauso manierlich auf wie am Abend zuvor.
Doch die Kandare regte ihn auf, und statt sich auf einen Kampf mit dem großen Hengst einzulassen, gab Santana lieber nach.
Eigentlich war er nicht in der richtigen Stimmung, das nutzte Lucifer aus. Santana gab den Versuch, ihn aufzuzäumen, auf und erledigte seine anderen Aufgaben. Unablässig dachte er an Regan, fragte sich, wo sie sein mochte, und verspürte die eiskalte Angst im Herzen, dass sie womöglich schon tot war, mitten im Wald, an einen einsamen Baum gebunden, erfroren war. Gestern, als er Chilcoate aufgesucht hatte, hatte er noch geglaubt, alles unter Kontrolle zu haben, doch nach seinen wirren Träumen hatte sich eine nagende Angst in ihm breitgemacht.
Er biss die Zähne zusammen, drängte Regans Bild aus seinen Gedanken und fing an, Hafer für die Pferde abzumessen. Wenn er seine Arbeit erledigt hatte, wollte er sich bei Chilcoate melden.
Ob es dem Sheriff passte oder nicht, Santana war fest entschlossen, auf eigene Faust zu ermitteln.
Denn Regan Pescolis Verschwinden betraf ihn persönlich.
Ich bin aufgewühlt.
Wie jedes Mal, wenn ich meine Mission erfüllt habe. Aber es ist zu früh, und ich bin noch nicht fertig, sage ich mir, während ich in das nächste Unwetter hineinfahre. Es fängt gerade erst an, nur ein paar windgetriebene dicke Flocken, doch wenn dem Himmel und dem Wetterdienst zu glauben ist, setzt bald ein neuer Schneesturm ein.
Ich höre sie weinen.
Nervtötendes Jammern ertönt von der Ladefläche her. Trotz ihres Knebels und dem Heulen des Motors und dem Surren der Reifen kann ich sie hören.
Weil ich durch den Wind bin. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt.
Zwei an einem Tag habe ich noch nie erledigt.
»Zwei an einem Tag. Zwei an einem Tag. Zwei an einem Tag.« Die Worte werden zu meinem Mantra, und ich spreche sie laut aus, im Takt mit den Scheibenwischern, aber sie hält einfach nicht den Mund. Elyssas Schreie dringen durch den Lärm und wühlen sich tief in mein Gehirn.
Es nützt nichts, sie durch das Heckfenster zur Ladefläche anzuschreien. Sie jammert nur umso lauter.
Und ich spüre die Bissverletzung im Nacken. Sie hat sich entzündet. Schlimm. Wie meine wachsende Wut.
»Musik vielleicht«, sage ich und schalte das Radio ein.
Aber ich bin weit entfernt von irgendwelchen Sendemasten, stecke tief in den Bergen, und alles, was ich über das statische Knistern hinweg höre, ist Burl Ives’ Stimme, die unaufhörlich über fröhliche Weihnachten faselt.
Dieses Jahr nicht,
denke ich und schalte das Radio wieder aus. Stattdessen konzentriere ich mich auf die Aufgabe, die vor mir liegt.
Ich habe den Ort bereits ausgesucht, weit entfernt von dem anderen.
Das wird eine Überraschung für Grayson und seine Mannschaft!
»Fröhliche Weihnachten!«
Ich muss herunterschalten, als ich eine Kurve nehme und bergauf fahre. Der allradgetriebene Pick-up bewältigt die Schneeverwehungen: hinauf, immer höher. Diese hier lasse ich nicht in einem Tal zurück. Ich habe diesen Ort sehr sorgfältig ausgewählt. Er ist ideal.
Wieder stößt sie einen Klagelaut aus. Diese Heulsuse! Sie hat den Tod verdient. Und die ewige Liebe, die sie ihrem Freund, diesem Versager, geschworen hatte, hat so schnell ihrem Verlangen nach mir Platz gemacht. Eine Schlampe.
Die Scheibenwischer haben viel zu tun, da der Schneesturm stärker wird, und der Motor heult. Die Reifen geraten leicht ins Rutschen, als ich mich dem Bergrücken nähere. Ich hätte früher aufbrechen sollen; ich wusste ja, dass sich ein Schneesturm zusammenbraute. Ich habe nicht viel Zeit.
Komm schon, komm schon,
denke ich, als der Pick-up hinten ausbricht, bevor ich eine letzte Kurve auf dieser einsamen Straße nehme. Die Lichtung befindet sich gleich auf der anderen Seite des Bergrückens. Mit einiger Mühe gelingt es mir, den Pick-up zu wenden, mehrmals rückwärts- und wieder vorwärtszufahren, um den Wagen für eine schnelle Flucht bereitzustellen. Ich darf nicht allzu zuversichtlich sein und in Kauf nehmen, dass der Pick-up sich festfährt.
Was nicht heißt, dass die schwachsinnige Polizei ihn jemals finden würde.
Ein Fahrzeug haben sie immer noch nicht gefunden und werden es wahrscheinlich erst im Frühling, wenn das Tauwetter einsetzt, entdecken. Es handelt sich um einen weißen VW -Käfer, zerbeult und tief im Stone Ridge Canyon begraben. Diese Idioten!
Als mein Pick-up
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