Der Zorn Des Skorpions
wurde reflektiert vom kalten, weißen Panorama des Winterwalds.
Tief unten lagen zerbeult und halb unter Schnee begraben die Wrackteile von Pescolis Jeep. Die Rettungsmannschaft kehrte unter Zuhilfenahme von Seilen und Kletterausrüstung zurück.
»Niemand drin«, sagte Randy, ein Feuerwehrmann mit gerötetem Gesicht, im Näherkommen. Kopfschüttelnd wandte er sich einem Kollegen zu, Gary Goodwin, ein Mann, dem Alvarez erst wenige Male begegnet war. »Hast du mal ’ne Kippe?«
Goodwin kam seinem Wunsch nach, bot ihm eine Zigarette aus seiner geöffneten Winston-Schachtel und Feuer aus einem billigen Einwegfeuerzeug an.
»Handtasche?«, fragte Alvarez, während Randy, die Hände in dicken Handschuhen, mit der geschnorrten Zigarette und dem Feuerzeug hantierte.
»Ich habe keine gesehen.«
»Waffen? Sie muss doch ihre Dienstwaffe, also die Pistole, und ein Gewehr bei sich gehabt haben.«
»Nichts.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist zu dunkel, ich habe zwar mit der Taschenlampe alles gründlich ausgeleuchtet, aber es könnte trotzdem sein, dass ich was übersehen habe.« Er zündete seine Zigarette an und warf das Feuerzeug seinem Kumpel zu.
»Hast du nicht«, sagte Goodwin und blickte noch einmal den Abhang hinunter. »Im Jeep befand sich einiges an Kram, Sonnenbrille, eine leere Zigarettenschachtel, Einkaufstaschen, aber der Wagen ist reichlich demoliert. Vielleicht finden wir morgen noch was, bei Tageslicht.« Er schob sich die Zigarette zwischen die Lippen und wirkte nicht sehr überzeugt.
Alvarez stimmte ihm im Stillen zu. Und sie vermutete, dass der Rest des Teams vom Büro des Sheriffs Randys Einschätzung bestätigen würde. Falls Pescoli vom Unglücksstern-Mörder entführt worden war, hatte der Täter den Jeep ausgeräumt und jegliche Beweismittel vernichtet oder mitgenommen, wie bei den vorherigen Opfern auch.
Alvarez wurde beinahe übel. Sie hustete, und die Männer traten einen Schritt zurück. Sie wedelte mit der Hand und sagte: »Nicht wegen der Zigaretten. Eine fiese Erkältung.«
Trotzdem hielten sie sich fern. Alvarez konnte es ihnen nicht verübeln. Sie räusperte sich und ließ den Blick über die vereiste Gegend wandern. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, dass die Taktik des Mörders, seine Opfer zunächst gesund zu pflegen, bevor er sie in der eiskalten Wildnis dem Erfrierungstod aussetzte, Regan eine Gnadenfrist einräumen würde. Wenn das der Fall war, dann bestand durchaus die Chance, dass Pescoli noch lebte und, falls sie nicht zu schwer verletzt war, eine Fluchtmöglichkeit fand. Sofern ihr Verstand keinen Schaden genommen hatte, würde sie wissen, womit sie es zu tun hatte. So viel Glück hatten die früheren Opfer nicht gehabt.
So viel Glück. O ja. Aber was für ein Dilemma.
Alvarez brachte eine weitere halbe Stunde auf dem Gebirgskamm zu, bevor sie Feierabend machte. Mehr konnte sie im Augenblick nicht tun. Die Spurensicherung würde das Fahrzeug und seine Umgebung mit einem feinzahnigen Kamm und komplizierten Gerätschaften absuchen, der Jeep würde in die Werkstatt abgeschleppt werden, wo er wieder und wieder durchsucht wurde. Für den Fall, dass dem Mörder ein Fehler unterlaufen war …
Das war ihm aber bisher noch nicht passiert.
Und die Uhr tickte, entscheidende Sekunden in Regan Pescolis Leben verstrichen.
Alvarez rieb sich die behandschuhten Hände, um ihre tauben Finger wiederzubeleben. Auch ihre Zehen kribbelten bereits und wurden trotz der warmen Socken und Stiefel gefühllos. Und das Grippemittel, das sie vor Stunden eingenommen hatte, zeigte keine Wirkung mehr. Ihre Nase lief, und ihre Ohren waren wie zugestopft.
Sie trat an den Rand des Abgrunds und blickte hinunter auf die Stelle, wo Pescolis Wagen gefunden worden war.
Wie hatte der Täter wissen können, dass Regan Pescoli just zu diesem Zeitpunkt diese Straße befahren würde?
Woher wusste er das?
Ratlos drehte sie sich um und sah hinauf zu dem Berggipfel, der diese Straße überragte. Vom Kamm aus hätte der Täter wahrscheinlich freie Schusslinie gehabt. Trotzdem, ein Treffer wäre höchst unwahrscheinlich gewesen.
Am Morgen würden Polizisten, sofern das Wetter es zuließ, den Bergrücken und den Abhang nach Patronenhülsen oder der Stelle absuchen, an der ein Mörder auf der Lauer gelegen haben könnte. Vielleicht würden sie dieses Mal etwas finden.
Sie spähte in die Dunkelheit hinauf. Hatte der Perverse dort oben gelauert, eingeschneit, mitten im Schneesturm?
Offenbar kannte er sich
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