Der Zorn Des Skorpions
daran, dass jemand Brady Long umgebracht hatte.
Geschmeidig wie eine Katze stand Santana auf und schlich geräuschlos zur Seite des Zimmers, um sich zwischen den Türen zu verbergen, wo ihn niemand im Vorbeigehen sehen konnte. Man musste schon ein, zwei Schritte in den Raum treten, bevor man ihn sah. Die einzige Waffe, die er bei sich trug, war das Taschenmesser, mit dem er die Verschnürung der Heuballen durchschnitt. Reichlich unwirksam gegen eine Pistole oder einen Revolver.
Er wartete.
Tock. Dann wieder ein Schritt.
Vorsichtig klappte er sein Messer auf. Er hörte seinen eigenen Herzschlag, spannte alle Muskeln an, war sprungbereit und heftete den Blick auf die offenen Türen.
Es kam immer näher und näher.
Die Sirenen heulten noch immer, und plötzlich kamen im Fenster Rettungswagen mit rotierendem Licht in Sicht. Unter ihren Reifen stob der Schnee in alle Himmelsrichtungen.
»Was zum …?«, fragte eine Männerstimme auf der anderen Türseite.
Santana umspannte das Heft des Messers in seiner Hand.
»Brady?« Die dünne Stimme hob sich noch um eine Oktave. »Der Yeti, hat er dir das angetan?«
Yeti?
In der nächsten Sekunde humpelte Ivor Hicks an seinem Gehstock ins Zimmer.
13. KAPITEL
G anz gleich, was du sagst, ich führe diese Ermittlungen nicht mit Hilfe von Psychopathen, Spinnern und/oder Verrückten durch!« Sheriff Dan Grayson stapfte übelster Laune den Gang entlang zu seinem Büro. Dass eine seiner besten Detectives diesen absurden Vorschlag machte, hellte seine Stimmung nicht unbedingt auf.
»Grace Perchant weiß etwas«, beharrte Alvarez an seiner Seite.
»Glaub mir, sie weiß nicht mal, wo oben und unten ist.« In Spokane hatte er die Notizen und Aufzeichnungen zu der Trittbrettfahrerin durchgesehen, die von der dortigen Polizei verhaftet worden war. Er war fast die ganze Nacht auf den Beinen gewesen. Früh am Morgen war er zurückgekommen und musste erfahren, dass nicht nur Pescolis zerstörter Jeep gefunden, sondern noch ein zweiter Unfallwagen entdeckt worden war, das möglicherweise im Zusammenhang mit einem Verbrechen stand, ein auf eine vermisst gemeldete Frau zugelassener roter Saturn. Und Alvarez, eine seiner sachlichsten Mitarbeiterinnen, schlug vor, von Grace Perchant, die mit Geistern sprach, Ratschläge anzunehmen.
Herrgott, was für ein Durcheinander.
»Grace hat angerufen. Sie hatte einen Traum …«
»Ach, einen Traum, sonst nichts? Hör zu, es ist mir ganz egal, auch wenn sie sich an den Zehen kopfunter aufhängt wie eine tollwütige schlafende Fledermaus! Sie spinnt. Das weiß jeder in der Stadt! Vielleicht kannst du die Leute vom FBI überreden, mit den hiesigen Verrückten zu reden, vielleicht haben die eine Art pseudoparanormale Abteilung wie im Fernsehen, aber nicht hier, nicht in meinem Dezernat!«
»Politisch korrekt war das nicht gerade«, bemerkte Alvarez.
»Politisch korrekt interessiert mich nicht«, antwortete er gereizt. »Ich versuche lediglich, einen perversen Serienmörder zu fassen, der es sich in den Kopf gesetzt hat, meinen Zuständigkeitsbereich als privaten Tummelplatz zu benutzen.«
»Dazu sollten wir zu allen verfügbaren Mitteln greifen.«
Meint sie wirklich, wir sollten mit Grace Perchant sprechen? Mit einer selbsternannten Geisterbeschwörerin?
Nach Graysons Einschätzung war Grace ein kauziges altes Huhn, weiter nichts. Harmlos, aber trotzdem spinnert. »Als Nächstes willst du dann womöglich Stellungnahmen von Ivor Hicks und Henry Johansen einholen.«
»Wenn es der Aufklärung des Falles dient.« Ihre dunklen Augen sprühten Feuer. »Ich hatte gerade einen Anruf von dem Deputy, der die Bergung von Pescolis Jeep aus der Schlucht überwacht hat. Sieht aus, als wäre eine Kugel in einen Reifen eingeschlagen.«
Graysons tiefe, innerste Angst wurde Wirklichkeit. »Dieses miese Schwein!«
»Genau.« Selena war mittlerweile wütend, ihre Wangen glühten. »Deshalb bin ich der Meinung, wir sollten keine Aussage missachten. Ich will einfach nur hören, was Grace weiß.«
»Sie ist bereits vernommen worden.«
»Vor Pescolis Verschwinden.«
Schließlich langten sie vor der Tür zu seinem Büro an, und die Magensäure brannte ihm ein Loch in die Eingeweide. Seine Gedanken waren bei Pescoli, einer Frau, mit der er seit Jahren zusammenarbeitete. Was bildete er sich ein, Alvarez, einer seiner intelligentesten Polizistinnen, vorzuschreiben, was sie zu tun hatte? Schließlich konnte er selbst nicht mit besseren Vorschlägen aufwarten. »Tu,
Weitere Kostenlose Bücher