Der Zorn Des Skorpions
hier im Wagen.« Tyler war in Panik, hatte eine Heidenangst, mit ein paar Gramm Gras oder einem Röhrchen rezeptpflichtiger Schmerzmittel angetroffen zu werden, das er seinem Onkel geklaut hatte. »Ich bleibe nicht hier. Das da sind Bullen, verstehst du das?«
»Schön. Dann fahr doch.« Jeremy stieg aus dem Blazer und knallte die Tür zu.
McAllister wendete rasch mit schlingernden Reifen und fuhr los. Das Heck seines Chevys brach aus, als er die Brücke erreichte und hinüberraste.
Jeremy wandte sich dem Haus zu, wo zahlreiche Stiefel einen Weg durch den Schnee festgetreten hatten. Ein großer Schwarzer stand an der Tür, ein Kerl mit einem seltsamen Namen, der im Büro des Sheriffs arbeitete.
»Du bist Jeremy Strand«, sagte er und sprang von der Veranda. Sein Atem stieg wie eine Wolke in die Luft. »Deputy Rule.«
Jetzt fiel es ihm wieder ein. Kayan Rule. Seine Mutter sagte nur Gutes über den Kerl. Zum Beispiel, dass er ein cleverer Polizist sei.
»Wo ist meine Mom?«
»Weiß nicht, mein Junge.«
»Das sagen alle, aber ich habe den Jeep gesehen. Er war total zerbeult. Totalschaden. Wurde oben auf dem Berg aus der Schlucht gezogen.«
»Sie war nicht drin, falls du das meintest.« Der Deputy folgte mit kompromisslos finsterer Miene dem Trampelpfad.
»Wo war sie dann?«
»Wir wissen es nicht. Deswegen sind wir ja hier.«
»Hier ist sie nicht!«
»Stimmt.«
»Sie war in ihrem Jeep. Auf dem Weg zu meinem Stiefvater, und dann hatte sie einen Unfall.«
»Sieht so aus.«
»Also? Ist sie tot?«, wollte er wissen. Angst pochte in seinen Schläfen, sein Magen revoltierte. Sein Vater war gestorben; Jeremy wusste, wie es ist, ein Elternteil zu verlieren. Er fürchtete, im nächsten Moment zusammenzubrechen.
»Wie ich schon sagte: Wir wissen es nicht.«
»Aber sie würde ihren Dienstwagen niemals verleihen. Nicht einmal mich hat sie fahren lassen«, sagte Jeremy, so ratlos und verängstigt, dass ihm der Schweiß ausbrach. Seine Mutter musste wohlauf sein. Sie musste einfach. »Also war sie im Jeep. Und wenn sie nicht drin war, als der Wagen gefunden wurde, dann liegt sie irgendwo verletzt oder im Krankenhaus oder sie ist tot … oder …« Der grausige Gedanke, der knapp unter der Oberfläche seines Bewusstseins gelauert hatte, hob sein hässliches Haupt. Jeremy wurde auf der Stelle übel, sein Mund füllte sich mit Speichel. »Sie wollen doch nicht sagen, dass … dass was? Dass der perverse Killer, der sich hier rumtreibt … Ich meine, den haben sie doch in Spokane gefasst …« Nein, das stimmte nicht. Er hatte in den Nachrichten gehört, dass die in Washington verhaftete Mörderin höchstwahrscheinlich nicht für all die anderen Todesfälle in der Gegend verantwortlich gemacht werden konnte. »Ausgeschlossen.« Er schüttelte den Kopf und sah den Polizisten böse an, der seinem Aussehen nach eher in eine NBA -Uniform als in die Dienstkleidung eines Polizisten gehört hätte.
»Wie gesagt, Jeremy, wir wissen noch gar nichts Genaues. Und was tust du hier? Suchst du deine Mom?«
»Ja. Und ich will meinen Pick-up abholen.«
Rule blickte die schmale Straße hinunter, auf der McAllisters Geländewagen verschwunden war. »Dagegen ist wohl nichts einzuwenden.«
»Ganz recht. Der Pick-up gehört
mir.
«
Er sprach es nicht aus, aber Jeremy kannte seine Mom schon lange genug, um die Gedanken des Kerls lesen zu können, nämlich, dass dieses Haus, sein Haus, das Haus seiner Mutter und seiner Schwester, ein Tatort sein könnte.
Die böse Angst, die ihr Haupt erhoben hatte, richtete sich noch höher auf. Finster und bedrohlich verbiss sie sich in seinem Herzen. »Ich … ich muss ins Haus.«
Rule zögerte, dann schüttelte er den Kopf. »Willst du damit nicht noch ein bisschen warten?«
»Muss ich?«
»Wir bemühen uns wie verrückt, deine Mutter zu finden, Jeremy, und wir wollen alles vermeiden, was Beweismaterial zerstören könnte. Nimm deinen Pick-up und fahre zurück zu deinem Freund oder vielleicht auch zu deinem Stiefvater. Du hast eine kleine Schwester, nicht wahr?«
Jeremy antwortete nicht.
»Vielleicht solltest du ein Auge auf sie haben.«
Jeremy wollte den Kerl nicht wissen lassen, wie sehr er sich ängstigte. »Gut«, sagte er in der festen Absicht zurückzukommen, sobald der Polizist weg war. Wieder wollte sein Magen revoltieren, und Jeremy spuckte den überschüssigen Speichel in den Schnee und ging zu seinem Pick-up. Er setzte sich hinters Steuer, ließ den Motor an und hörte, wie er
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