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Der Zorn Des Skorpions

Der Zorn Des Skorpions

Titel: Der Zorn Des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
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zumindest teilweise, warum sie, die Polizei, das Scheusal nie gefunden hatten.
    Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wo sie sich befand. Sie erinnerte sich kaum an die Fahrt auf der Ladefläche eines Pick-ups, eines weißen Pick-ups mit dazu passendem Wohnanhänger, glaubte sie. Ein großer Pick-up. Amerikanisches Modell. Ford? Chevy? Sie hatte ihn flüchtig gesehen, bevor der Kerl ihr die Augen verband, und nur zwei Ziffern des Kennzeichens waren ihr im Gedächtnis haften geblieben: 7 und 3 , oder war es eine teils von Schnee verdeckte 8 ?
    Sie konnte es nicht sagen. Aufgrund der Droge, die er ihr injiziert hatte, war sie völlig benommen gewesen, und sie hatte sich nicht wehren können, weil er ihre Arme in einer Zwangsjacke gefesselt und ihr einen Knebel in den Mund gezwängt hatte, der nach Erbrochenem und Chlorbleiche stank, als hätte er vergeblich versucht, ihn zu reinigen. Sie hätte fast gekotzt, doch irgendwie gelang es ihr, ihren Mageninhalt bei sich zu behalten, denn sonst wäre sie womöglich an ihrem eigenen Erbrochenen erstickt.
    Wäre das denn ein schlimmeres Schicksal gewesen als das, was ihr bevorstand?
    Natürlich!
Sie durfte solche düsteren Gedanken nicht zulassen, sich nicht einreden, der Tod wäre besser als ihre derzeitige Situation. Sich auf die Verlockungen des Finstren Schnitters einzulassen, war feige.
    Nicht daran denken!
    Zum Zeitpunkt ihrer Entführung waren ihre Sinne benebelt, aber sie wusste noch, dass er sie auf eine Art Trage geschnallt hatte – oder war es ein Kanu? –, die er durch den Schnee schleifte. Auf dem Rücken liegend, nicht in der Lage, die Hände zu benutzen, um sich den Schnee aus dem Gesicht zu wischen, hatte sie aufgeblickt in spröde kahle Äste von Bäumen, froststarr und weiß. Als er sie auf eine Lichtung zog, hatte sie den Pick-up gesehen. Und im selben Moment erkannte er seinen Fehler und verband ihr die Augen, zerrte an ihrem Haar, als er das Tuch zuknotete. Er störte sich nicht daran, dass er ihr noch mehr Schmerzen zufügte.
    Dabei hatte er kein Wort gesprochen, hatte sie schweigend verschnürt wie ein Bündel und in seinen Pick-up geschoben. Er behandelte sie mit dem Geschick und der Gleichgültigkeit eines Jägers, der seine Beute ausnimmt und aus dem Wald schleift.
    Er roch nach Schweiß, unterlegt von schwachem Seifen- oder Parfümduft, doch sie hatte nur kurz eine Nase voll davon bekommen, bevor er etwas anderes zu ihr in den Pick-up warf – die Trage? War es eine faltbare Trage gewesen, die Platz im Pick-up fand?
    Bevor sie sich näher damit beschäftigen konnte, was es gewesen sein mochte, was da neben ihr auf der kalten Ladefläche aus Metall gelegen hatte, schloss er die Heckklappe, stapfte zur Fahrerkabine und startete den Motor. Er sprang sofort an.
    Unter dem Knirschen von Schnee und Eis rumpelte der Pick-up aus der Schlucht irgendwo unterhalb von Horsebrier Ridge. Sie hatte versucht, sich zu konzentrieren, den Reifengeräuschen zu lauschen, zu zählen, wie viele Sekunden es dauerte, bis das Liegen auf der Ladefläche sich anders anfühlte, wenn die Reifen entweder auf nacktem Asphalt summten, auf einer Brücke hallten oder auf Kies knirschten, doch sie war benommen und vergaß das Zählen, und das grundsätzliche Geräusch von Reifen auf verschneitem Terrain änderte sich überhaupt nicht.
    Nach einer Weile spürte sie, dass sie nicht mehr durch tiefen Schnee, sondern über ziemlich festes Eis fuhren … eine Veränderung hatte stattgefunden, als hätte der Fahrer schließlich eine stärker befahrene Straße gewählt, doch auch das war nur ein flüchtiger Gedanke in ihrem benebelten Kopf gewesen.
    Sie war sich nicht einmal sicher über die Länge der Wegstrecke oder die Dauer der Fahrt. Zwanzig Minuten? Dreißig? Oder mehr? Sie hatte keine Ahnung.
    Zwar spürte sie manchmal, dass der Pick-up vor einer Kurve das Tempo drosselte, aber er hielt nicht ein einziges Mal an.
    Erst, als er sein Ziel erreicht hatte.
    Dann hatte er sie, während in ihrem Kopf die Angst pochte, grob von der Ladefläche gezerrt, und ihr Wunsch, ihn zu treten, war sogleich vergessen, als Schmerzen ihr durch Rippen und Schulter schossen. Sie hätte beinahe das Bewusstsein verloren.
    Er warf sie sich über die Schulter und trug sie, schwach wie das sprichwörtliche Lämmchen, ins Haus … und wenn sie es sich jetzt recht überlegte, war sie sicher, dass da Stufen waren, dass seine Stiefelschritte auf Stein oder Beton nachgehallt hatten, als er eintrat und, ja, zu

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