Der Zorn Des Skorpions
allen Betroffenen.«
»Was ist mit seinem Vater?«
»Was?«
»Mit dem leiblichen Vater von Padgetts Sohn.«
»Der ist aus dem Rennen.« Die Antwort erfolgte hastig. Abschätzig.
»Wusste er überhaupt, dass er ein Kind haben würde?«
»Das weiß ich nicht.«
»Aber Sie waren mit der Adoption befasst, oder jedenfalls Ihre Kanzlei.« Sie blätterte die Dokumente mit dem Briefkopf der Kanzlei Sargent, McGill und Tinneman durch. »Die Rechte eines Vaters sind durch Gesetze geregelt, Mr. Tinneman.«
»Ich kenne die Gesetze.«
»Wer ist er?«
»Padgett hat den Vater nie angegeben«, sagte er gepresst. »Sie ist die Einzige, die weiß, wer er ist.«
»Und sie redet nicht.« Was wörtlich zu nehmen war. Dr. Ramsby warf einen Blick auf das Foto ihrer eigenen Tochter, die neben der Langhalsvase in die Kamera lächelte. Clarice war vierzehn, ungefähr so alt wie Padgetts nicht auffindbarer Sohn.
»Sie hat in Ihren Therapiesitzungen nie ein Wort davon erwähnt?« Ein Hoffnungsschimmer schwang in der Stimme des Anwalts mit.
»Jetzt kommt die ärztliche Schweigepflicht ins Spiel.«
»Es wäre uns eine große Hilfe, wenn dieser Junge gefunden würde. Hubert Long wäre ewig dankbar. Ihnen. Mountain View. Wenn Sie in seinem Namen mit Padgett reden würden …?«
»Ich glaube, Sie sollten sich in dieser Angelegenheit an jemanden« – sie warf einen Blick in die Aufzeichnungen – »in Cahill House wenden. Sie haben die Akten.«
»Das habe ich bereits versucht«, antwortete er rasch. »Sie geben keinerlei Informationen zu dem Fall heraus, außer an Padgett.«
Der aalglatte Anwalt versuchte also, durch die Hintertür ans Ziel zu kommen.
»Dr. Ramsby …«
»Ich kann dazu nichts weiter sagen. Falls Sie oder sonst jemand Padgett besuchen und selbst mit ihr reden wollen, steht Ihnen die Möglichkeit offen. Aber ich kann Ihnen in dieser Angelegenheit nicht helfen. Danke, dass Sie mich über den Tod des Bruders der Patientin informiert haben. Ich werde dafür sorgen, dass sie es erfährt.« Dr. Ramsby legte auf und schüttelte den Kopf. Familie. Wie immer eine schwere Prüfung. Und Tinneman … Der Anwalt musste doch wissen, dass er ihr keine Informationen entlocken konnte, die sie ihm nicht geben durfte. Jalicia war Tinneman nie begegnet, aber sie mochte ihn nicht und hielt ihn für eine falsche Schlange.
Was hatte das alles nur für Padgett Long zu bedeuten?
20. KAPITEL
E r war zurück.
Der Perverse war nebenan, summte vor sich hin, schürte das Feuer oder kochte oder werkelte herum … was immer es sein mochte, was er dort jenseits der Tür trieb. Regan beobachtete, wie sein Schatten sich im Nebenraum bewegte, in den sie lediglich dann kurze Einblicke erhielt, wenn er die Tür öffnete und in »ihr« Zimmer kam, um ihr Essen oder Wasser zu bringen oder den Eimer zu holen, den er ihr bereitgestellt hatte, damit sie sich erleichtern konnte, oder um das Feuer zu schüren.
Wenn sie einen Blick auf seinen Wohnbereich erhaschte, sah sie ein Stück von einem langen Tisch, einen massiven Schrank und Bücherregale an einer Wand in ihrem Blickfeld. Sie hätte gern gewusst, welchen Beruf er ausübte, wenn überhaupt, und natürlich wollte sie, wenn sie dort in der Kälte und der Dunkelheit lag, immer dringend wissen, wer er war.
Wieso hatte sie ständig das Gefühl, ihn bereits zu kennen?
Pescoli zog sich die kratzige Decke bis unters Kinn, während das Feuer immer weiter herunterbrannte und der Geruch von Holzrauch schwer in der Luft lag, und dachte an all die Kriminellen, die sie im Lauf der Jahre gefasst hatte. Doch im Zusammenhang mit diesem Verrückten fiel ihr nicht ein Name oder Gesicht ein.
Sie alle passten nicht zu ihm.
Sie hatte eine Reihe von Gangstern verhaftet, die sie oder ihre Lieben bedroht hatten, aber deren Sticheleien hatten sich als leeres Geschwätz erwiesen, lediglich als Äußerung von Wut und verletztem Stolz, wenn das Pack ins Gefängnis gesteckt wurde, um über seine Missetaten nachzudenken und seinen Hass auf die Bullen, das System und sie zu pflegen. Wenn sie dann jedoch entlassen wurden, mieden sie alle sie wie die Pest.
Dieser Idiot war anders.
Seine Wut ging tiefer.
Und sie richtete sich nicht nur gegen sie, sondern auch gegen andere Frauen und gegen die Obrigkeit. Sie spürte seine Feindseligkeit wie etwas Greifbares, wenn sie sich im selben Raum aufhielten, sie spürte, dass er sie trotz seines manchmal sanften und schmeichelnden Tonfalls verhöhnte. Als ob sie ihm etwas
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