Der Zorn Gottes
trauten!« fauchte Gaunt. »Ich hatte nichts zu tun mit dem Bau
der Truhe, der Herstellung der Schlösser oder der Gestaltung der Schlüssel.
Ich und die Gildemeister haben entschieden, das alles lieber unseren
werten Beamten zu überlassen. Sie haben Truhe und Schlüssel
heute morgen geradewegs aus Sturmeys Werkstatt hergebracht.«
»Und bevor Ihr fragt«,
warf Lord Adam ein, »keiner von ihnen hatte jemals alle sechs Schlüssel
auf einmal in seinem Besitz. Drei hat der Bürgermeister gekauft,
Mountjoy den Rest. Fitzroy und Sudbury waren Zeugen der Transaktion, und
Stadtbüttel haben die Truhe hergetragen.«
Cranston spähte mit
schmalen Augen ins Dunkel, wie er es immer tat, wenn er in Gedanken
versunken war.
»Sir John!« rief
Athelstan. »Was ist denn?«
Cranston schmatzte - ein
sicheres Anzeichen dafür, daß er trotz der späten Stunde
allmählich seinen Rotwein vermißte.
»Sturmey«, sagte
er. »Der Name Sturmey sagt mir etwas. Wie kommt das, hm? Warum
sollte ein angesehener Schlosser, dessen Dienste die großen und
vornehmen Herren in Anspruch nehmen, in meiner Erinnerung eine Saite
erklingen lassen?«
Athelstan grinste. Cranstons
Gedächtnis war wunderbar. Er kannte die Gauner von London beim Namen
und die meisten auch von Ansehen, und sogar im dichten Treiben der
Cheapside konnte er Taschendieben und Beutelschneidern seine Warnung zubrüllen.
»Woran erinnert Euch
Sturmeys Name denn?« wollte Gaunt sofort wissen.
Der Coroner schüttelte
den Kopf. »Das fallt mir noch ein.« Er verbeugte sich. »Mylord
Regent, wenn Ihr mich und meinen Schreiber jetzt entschuldigen wollt - wir
müssen diesen Schlosser unbedingt noch heute abend besuchen. Wo wohnt
er?«
»In der Lawrence Lane,
Ecke Mercery«, antwortete Clifford.
Cranston grinste Athelstan
an, der ihn erschöpft und wütend anfunkelte. »Dann wollen
wir dem Meister Schlosser in der Lawrence Ecke Mercery einen Besuch
abstatten und ihm ein paar Fragen stellen, wie?« Noch einmal
verneigte er sich vor dem Regenten. Gaunt wandte den Blick ab. Cranston
zuckte die Achseln und verließ die Kapelle, gefolgt von einem
niedergeschlagenen Athelstan.
»Cranston!«
Sir John drehte sich um.
Gaunt stand auf der Altartreppe.
»Ihr wißt, daß
die Gildemeister wiederkommen werden. Oh, sie werden vernünftig sein.
Sie werden eine gewisse Frist setzen, bis sie
ihr Gold und die Antwort auf ihre Fragen bekommen.« Er drohte mit
dem Finger. »Auch ich brauche Antworten, Mylord Coroner. Innerhalb
von höchstens zehn Tagen.« Er ließ die unausgesprochene
Drohung in der Luft hängen. Cranston machte auf dem Absatz kehrt und
marschierte aus der Rathauskapelle.
Fünf
Draußen blieb Cranston
stehen und schaute zum Mond hinauf. »Der Teufel soll auf sie pissen!«
fluchte er. »Verdammte Säcke! Was für stinkende Scheißkübel!
So eine Sauerei! Diese dreckigen, käferköpfigen, fettbäuchigen,
verräterischen Schweine!«
Athelstan lächelte.
»Mylord Coroner, Ihr sprecht von unseren Brüdern in Christo,
den Gildemeistern?«
»Jawohl, Mönch,
von denen spreche ich.« Cranston zerrte seinen wunderbaren
Weinschlauch unter dem Mantel hervor und trank in herzhaften Zügen.
»Oh Gott!« schnaufte er. »Was für eine Sauerei! Wie
wurde Fitzroy ermordet, Bruder? Er hat das Gift nicht vor dem Essen
genommen, und an seinen Speisen und seinem Besteck fanden sich keine
Spuren irgendeiner Droge.«
Athelstan schüttelte den
Kopf. »Ihr seid mir voraus, Sir John. Ich denke immer noch über
Mountjoys Tod nach.« Der Ordensbruder spähte über die
dunkle Cheapside zu den Laternenhörnern an den großen
Kaufmannshäusern, und er dachte an die Worte seines alten Lehrers
Pater Paul. »Die Wurzel aller Sünden«, hatte der alte
Bruder gedröhnt, »ist der Stolz. Und das Gegenteil von Liebe
ist nicht Haß oder Gleichgültigkeit, sondern Macht. Macht
verdirbt, und das Streben nach Macht ist ein Weg, der geradewegs in die Hölle
führt.«
Und auf diesem Weg sind wir
jetzt, dachte Athelstan; hier drängen sich mächtige Männer
mit unstillbarer Gier nach den besten Dingen im Leben. Wir alle sind Mörder,
schloß er, und ihn fröstelte trotz der warmen Nachtluft. Er fühlte
sich wie ein maskierter Schwertkämpfer, der im Stockfinstern in ein
Turnier gestoßen wurde, bei dem es von Mördern wimmelte.
»Ich will nach Hause«, flüsterte er, ehe er sich
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