Der Zorn Gottes
selbst angebracht.«
»Was ist mit der Wache?«
fragte Cranston. »Als wir kamen, haben wir doch draußen die
Garde gesehen.«
»Als das Bankett
begonnen hatte, wurde sie ins Rathaus zurückbeordert.«
»Dann hat mein
Schreiber offenbar recht«, stellte Cranston in scharfem Ton fest.
»Wie Ihr es auch deuten mögt, Euer Gnaden: In Eurer Mitte
befindet sich ein mörderischer Verräter!«
Schon bei Athelstans Worten
hatten alle die Brauen hochgezogen. Als der Coroner sie jetzt wiederholte,
brach große Bestürzung aus.
»Was redet Ihr da?«
schrie Goodman und sprang auf; alle höfische Etikette war vergessen.
»Es ist unerläßlich!«
rief der stutzerhafte Denny. »Euer Gnaden, wir müssen sofort
das Gold inspizieren, das jeder von uns in der Truhe der Rathauskapelle
hinterlegt hat!« Er zog den Schlüssel hervor, der an einer
Silberkette an seinem Hals hing, ganz ähnlich dem, den Clifford dem
toten Fitzroy abgenommen hatte.
»Der Meinung bin ich
auch«, erklärte der rothaarige Sudbury, dessen Gesicht von dem
Wein, den er trank, noch röter war als sein Schopf. »Euer
Gnaden, das ist eine Katastrophe. In unser aller Interesse muß die
Truhe sofort überprüft werden.«
Gaunt sah Clifford an, und
der nickte. Der Regent nahm eine Silberkette ab, die er um den Hals trug.
Der Schlüssel, der daran baumelte, blinkte im Kerzenschein.
»Es ist wohl am besten
so«, pflichtete er bei.
Clifford rief die Wache, und
angeführt von vier Soldaten mit Fackeln, marschierten Gaunt und seine
jetzt bedrückten Gäste, dazu Cranston und Athelstan, durch die
Gewölbegänge, die breite Holztreppe hinauf und in die kleine
Rathauskapelle. Für einen Augenblick blieben sie im Eingang stehen,
spähten in die Dunkelheit und schnupperten den Weihrauchduft; die
Wache zündete Fackeln an und die Kerzen, die auf dem Hochaltar
standen. Die Kapelle, ein kleines Juwel mit blankpolierten Marmorsäulen,
Mosaikfußboden und bemalten Wänden, erwachte zum Leben. Der
Marmoraltar war mit reinweißen Tüchern bedeckt. Sie gingen
darauf zu. Gaunt zog die Tücher mit entschlossener Bewegung beiseite.
Unter dem Altar stand eine lange, mit Eisenbändern verstärkte
Holzkiste auf vier Säulen. Trotz der schlechten Beleuchtung konnte
Athelstan die sechs Schlösser an der Seite erkennen.
»Herausziehen!«
befahl Gaunt.
Zwei Soldaten zogen die Truhe
vor, so daß sie vor dem Altar stand. Schon dieses Unternehmen
verursachte Bestürzung, denn die Truhe war unerwartet leicht.
Lautstark befahl Gaunt Ruhe, dann steckte er seinen Schlüssel ins
Schloß und drehte ihn um; Clifford, der Fitzroys Schlüssel
hatte, tat es ihm nach, und die übrigen Gildemeister folgten. Die
Beschläge wurden heruntergeklappt und die Truhe geöffnet.
Athelstan und Cranston spähten den anderen über die Schultern.
»Nichts!« hauchte
Marshall.
Flinker als der Rest drängte
sich Cranston nach vorn und hob das Stück gelbes Pergament auf, das
auf dem Boden der Truhe lag.
»›Diese Steuer
wurde eingetrieben«, las er vor, »›von der Großen
Gemeinschaft des Reiches. Gezeichnet: Ira Dei.‹«
»Das ist unerträglich!«
schrie Denny. »Mylord Gaunt, wir sind betrogen worden!«
Aber der Regent ließ
sich nur totenbleich auf den Chorstuhl fallen, starrte ins Dunkel und
bewegte stumm die Lippen. Cranston, der John von Gaunt seit Kindertagen
kannte, hatte ihn noch nie so verängstigt und ratlos gesehen.
»Das ist Teufelswerk«,
murmelte Gaunt.
Niemand achtete auf seine
Worte; die Gildemeister schrien und fluchten durcheinander. Clifford stand
mit offenem Maul da und starrte in die leere Truhe. Cranston packte ihn
grob an der Schulter.
»Um Himmels willen,
Mann!« zischte er. »Laßt die Kapelle räumen. Das nützt
doch alles nichts.«
Clifford fuhr aus seinen
Gedanken hoch und klatschte laut in die Hände. »Mylord Gaunt muß
über diese Sache nachdenken!« rief er in das Durcheinander.
Ȇber welche
Sache?« kreischte Sudbury. »Mylord Gaunt streckt die Hand aus,
und wir ergreifen sie. Er redet von Freundschaft zwischen ihm und der
Stadt -und jetzt sind zwei von uns tot. Das Gold, das wir hier hinterlegt
haben, ist gestohlen worden, und der Missetäter Ira Dei mordet und
stiehlt nicht nur, sondern macht uns auch noch alle zum Gespött. Was
sollen wir unseren Gilden berichten, he? Wie sollen wir unseren Brüdern
beibringen, daß Tausende Pfund
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