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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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versah.
    Cranston sah ihn verwundert
     an. »Aber du bist doch hier zu Hause, Bruder.«
    Athelstan lächelte und
     schüttelte seine Gedanken ab. »Aye, Sir John, aber wir müssen
     noch einen Schlosser besuchen. Sagt, warum hat Euch Sturmeys Name
     nachdenklich gemacht?«
    Cranston bekreuzigte sich und
     nahm noch drei Schluck aus seinem Weinschlauch; dann verstopfte er ihn
     wieder, hakte sich bei Athelstan unter und führte ihn in die Poultry
     hinauf.
    »Ich weiß es
     nicht«, knurrte er. »Aber der Name läßt ein Glöckchen
     läuten. Das braucht seine Zeit, Bruder.«
    Athelstan hielt sich die Nase
     zu, denn in diesem Teil der Cheapside stank es immer nach totem Geflügel.
     Er versuchte, nicht auf die Ratten zu achten, die zwischen den
     Jauchegruben in der Mitte der Straße hin und her huschten und nach
     saftigen Bissen stöberten, nach Innereien und den abgeschlagenen Köpfen
     von Hühnern, Wachteln, Rebhühnern und Regenpfeifern. Zwei weiße
     Federn schwebten zur Erde, und Athelstan mußte an Engel denken.
    »Engel gibt es hier
     nicht«, murmelte er.
    »Da hast du verdammt
     recht!« bekräftigte Cranston.
    Sie fuhren zusammen und
     sprangen beiseite, als plötzlich zwei alte Frauen mit einem
     Schubkarren um die Ecke kamen; auf dem Karren lag
     der Leichnam einer alten Vettel. Athelstan machte ein Kreuzzeichen in die
     Luft. Eines der beiden alten Weiber drehte sich um und kicherte.
    »Hin ist sie«, krähte
     sie. »An der Ruhr gestorben, und jetzt ab in die Kalkgruben mit ihr.«
    »Ich wünschte, ich
     könnte dem ein Ende machen«, bemerkte Cranston. »Sie
     werden die Tote irgendwo auf eine Kirchentreppe legen.«
    Der Karren rumpelte davon,
     und die beiden gingen weiter in Richtung Mercery. Zwei Huren standen an
     der Ecke einer Gasse; ihre safrangelben Kleider und roten Perücken
     leuchteten wie Signalfeuer in der Finsternis.
    »Holla, ihr Damen!«
     rief Cranston. »Ihr kennt das Gesetz?«
    »Welches Gesetz?«
     erwiderte die größere der beiden. »Wir beten hier nur.«
    »Das ist Cranston!«
     zischte die kleinere, und die beiden Damen der Nacht flüchteten wie
     Glühwürmchen durch die düstere Gasse.
    Athelstan und Cranston bogen
     in die Lawrence Lane ein, die wie ein dunkler Tunnel wirkte, weil die Häuser
     zu beiden Seiten so gebaut waren, daß man in den obersten
     Stockwerken mühelos ans Fenster gegenüber klopfen konnte.
    »Gib acht, wo du
     hintrittst!« warnte Cranston.
    Athelstan blickte zu Boden
     und sah, daß die Gosse in der Straßenmitte übergelaufen
     war und das Kopfsteinpflaster mit stinkendem Dreck überzogen hatte.
     Es roch nach Schwefel, den irgendein braver Bürger ausgeschüttet
     haben mußte, um den Gestank zu bekämpfen. Dunkle Gestalten lösten
     sich aus den Hauseingängen. Cranston schlug seinen Mantel über
     die Schulter nach hinten und zog seinen
     langen walisischen Spitzdolch.
    »Guten Abend, ihr Böckchen!
     Ich bin John Cranston, der Coroner.«
    Die unheimlichen Schatten
     verschwanden.
    Sie gingen weiter; Cranston
     blieb hier und da stehen, um zu den Ladenschildern hinaufzuschauen, die
     über ihnen an Stangen hingen. Kurz bevor die Lawrence Lane in die
     Catte Street mündete, blieb er stehen und deutete auf eine Tafel, die
     an rostigen Ketten knarrte. Darauf stand »Peter Sturmey, Schlosser«.
     Cranston trat zurück und blickte nach oben. Er sah Kerzenschein in
     einem der oberen Stockwerke, und so hämmerte er an die Tür.
    »Verpißt euch!«
     schrie jemand von der anderen Straßenseite.
    Athelstan und Cranston
     sprangen schnell beiseite, als der stinkende Inhalt eines Nachttopfes
     geflogen kam.
    »Hau ab!« brüllte
     Cranston zurück. »Ich bin Beamter der Justiz!«
    »Von mir aus kannst du
     der König selbst sein!« erwiderte die Stimme, aber man hörte,
     wie das Fenster zugeschlagen wurde, und Cranston hämmerte weiter an
     die Tür.
    Endlich wurde seine Hartnäckigkeit
     belohnt. Sie hörten Schritte, die mit einer Kette gesicherte Tür
     wurde einen Spaltbreit geöffnet, und das blasse Gesicht einer Magd
     erschien gespenstisch im Kerzenschein.
    »Wer ist da?«
     fragte sie. »Was gibt es? Habt Ihr Nachricht von meinem Herrn?«
    »Mach auf«, sagte
     Cranston. »Sei ein braves Mädchen. Ich bin der Coroner der
     Stadt, und dies ist Bruder Athelstan. Wir haben mit deinem Herrn zu reden.«
    Die Kette wurde gelöst,
     und die in einen Mantel gewickelte Magd trat zurück, um sie
     einzulassen. Der Kerzenschein im Hausflur ließ

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