Der Zorn Gottes
liebt die Abwechslung.«
»Aber er hatte Besuch?«
Athelstan blieb hartnäckig.
»Zwei große,
dicke Kerle«, antwortete der Junge. »Der Bürgermeister
und der Sheriff. Die kamen in den letzten Wochen ein paarmal zusammen und
wollten sehen, ob mein Meister seine Arbeit tat.«
»Sonst niemand?«
»Nein, Pater.«
Athelstan sah die junge Magd
an, die neben dem Jungen stand. »Und ihr habt beide nichts
Geheimnisvolles oder Ungewöhnliches gesehen?«
Sie schüttelten den
Kopf.
»Was ist aus den Gußformen
geworden?« Cranston scharrte mit den Füßen. »In
denen die Schlüssel gegossen wurden.«
»Die wurden vernichtet«,
erklärte der Junge stolz. »Als die hohen Herren kamen, um Truhe
und Schlüssel abzuholen, standen sie da und schauten zu, wie ich sie
mit dem Hammer zerschlug.«
Cranston schaute Athelstan
an, und der schüttelte den Kopf.
Der Coroner erhob sich
schwerfällig, reckte sich und gähnte. Dann fischte er zwei
Pennies aus der Tasche und gab sie dem Jungen und dem Mächen.
»Sehr gut«,
brummte er. »Aber wenn euer Meister zurückkommt, dann sagt ihm,
er soll zu Sir John Cranstons Haus in der Cheapside kommen. Ich muß
mit ihm sprechen.«
Die Magd und der Lehrling
nickten.
Cranston und Athelstan gingen
wieder hinaus in die Lawrence Lane und hinunter zur Ecke Mercery.
»Ihr wißt, daß
er niemals zurückkommen wird, Sir John?«
Cranston blies die Wangen
auf. »Aye. Morgen werde ich die Behörden anweisen, unter den Töten,
die in der Stadt aufgefunden werden, nach ihm zu suchen.« Er unterdrückte
ein Gähnen. »Bruder, du kannst gern heute bei mir übernachten.«
Athelstan schaute hinauf zum
sternklaren Himmel. »Danke, Sir John, aber ich muß zurück.«
Er sah Cranston nach, der ihm
einen Abschiedsgruß zubrüllte, wie ein mächtiger Bär
die Cheapside hinaufschlurfte und sich plötzlich umdrehte.
»Bruder, ich begleite
dich noch zur Brücke!«
»Nein, nein, auf keinen
Fall, Sir John. Mir passiert schon nichts. Wer wird einen armen
Ordensbruder überfallen?«
Cranston sah den Priester die
Mercery überqueren und die Budge Row hinuntergehen.
»Aye!« murrte er.
»Wer wird einen armen Ordensbruder überfallen? Die Stadt ist
voll von Mistkerlen, die so etwas tun!«
Er wartete, bis Athelstan außer
Sicht war, und folgte ihm dann durch die Budge Row, den Walbrook hinunter
in die Ropery und zur Bridge Street. Am anderen Ende standen die Wachen in
einem Lichtkreis an der Zufahrt zur Brücke; sie hatten ihre Fackeln
auf Stangen gesteckt. Cranston hörte ihre Stimmen, als sie den
Ordensbruder befragten. Einer lachte, und sie ließen Athelstan
durch. Der Coroner seufzte erleichtert, aber er spitzte noch einmal die
Ohren, als er hinter sich leise Schritte hörte.
»Also, ihr Nachtvögel«,
knurrte er über die Schulter, »ich bin Old John, der Coroner
der Stadt. Wenn ihr euch nicht verpißt, hänge ich euch eure
Eier um den Hals.« Als er sich umdrehte,
war die Straße leer. Breitbeinig stellte sich Cranston über die
Gosse, um sich zu erleichtern, und als er beendet hatte, was er sein
»devoir« nannte, schloß er den Hosenlatz und schmatzte.
Er schlug das Kreuz und nahm einen großzügigen Schluck aus
seinem wunderbaren Weinschlauch. Dann fielen ihm die beiden Hunde Gog und
Magog ein, und er fragte sich, was Lady Maude wohl von ihnen halten würde.
Er stöhnte und beschloß, daß ein zweiter großzügiger
Schluck nicht schaden könne.
*
Athelstan saß an seinem
Tisch im kleinen Pfarrhaus gegenüber der Kirche von St. Erconwald in
Southwark. Bei seiner Rückkehr hatte er alles in guter Ordnung
gefunden. Die Kirchtür war verschlossen, und jemand hatte einen
kleinen Topf Honig in eine Mauernische gestellt - offenbar ein Geschenk
von einem seiner Pfarrkinder. Sein altes Pferd Philomel lag auf der Seite
und atmete schwer durch geblähte Nüstern, als träumte es
von seiner früheren Glorie als vollblütiges Schlachtroß in
den Kriegen des alten Königs. Athelstan blieb eine Weile in der
Stalltür stehen und redete mit ihm, aber der alte Gaul schnarchte
weiter, und der Bruder setzte seinen Rundgang über das kleine
Kirchengelände fort. In seinem Garten war, soweit er sehen konnte,
alles in Ordnung. Bonaventura, der große Mauser, dieser einäugige
Prinz der Gassen, war offenbar unterwegs zu nächtlichem Liebeswerben
oder auf der Jagd.
Jetzt schaute sich Athelstan
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