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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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in der kärglichen Küche um. Die Wände waren zum Schutz vor
     den Fliegen frisch gekälkt. Er schloß die Augen und roch den
     Duft der Kräuter, die mit den frischen grünen Bingen auf dem
     Boden verstreut lagen. Dann warf er einen Blick auf den Kessel über dem Feuer.
     Er erhob sich halb, um zu sehen, ob die Hafergrütze, die er kochte,
     nicht zu dick oder zu klumpig wurde. Seufzend ging er in die Speisekammer
     und holte einen Krug Milch. Sie roch noch frisch, und so goß er sie
     in den Kessel und rührte die Grütze sorgfaltig um, ganz so, wie
     Benedicta es ihm eingeschärft hatte.
    »Wenn ich doch kochen könnte«,
     murmelte er.
    Einmal hatte er Cranston zum
     Frühstück bewirtet, und der Coroner hatte geschworen, daß
     Athelstans Hafergrütze, wenn man sie mit einem Katapult schleuderte,
     jede Stadtmauer einreißen könnte. Er trug den Krug zurück
     in die Speisekammer, wischte sich die Hände an einem Handtuch ab und
     trat an seinen Tisch, der mit Pergamenten übersät war. Jedes
     Fetzchen Pergament war mit den Einzelheiten eines Mordes beschrieben.
    »Was haben wir denn
     hier?« fragte Athelstan spielerisch. »Wie hat Rosamund Ingham
     Sir Johns Freund Sir Oliver getötet? Keine Spuren von Gewalt. Kein
     Hinweis auf Gift.« Er rieb sich die Wange. »Wurde der Mann
     überhaupt ermordet? Oder war Cranston nur wütend, weil er
     mitansehen mußte, wie sein alter Freund zum Hahnrei gemacht wurde?«
    Aber nein, dachte er, trotz
     seines buschigen weißen Schnurrbarts, des roten Gesichts, des mächtigen
     Glatzkopfes und des noch größeren Bauches war Cranston schlau
     und verschlagen wie eine Schlange. Sir John hatte einen Riecher für
     Missetaten; wenn er glaubte, daß ein Verbrechen begangen worden war,
     dann hatte er meistens recht.
    Athelstan nahm ein anderes Stück
     Pergament zur Hand und studierte seine Skizze vom Rathausgarten, wo
     Mountjoy ermordet worden war. »Wie um alles in der Welt …?‹‹
     murmelte er. Auf der einen Seite befand sich der hohe Spalierzaun, an dem
     der Sheriff gelehnt hatte, zu seiner Linken eine kahle Mauer, zur Rechten
     der von den Hunden bewachte Gartenzaun und vor ihm der Holzzaun des Ganges
     zwischen Rathaus und Küche. Wie hatte der Täter in einen derart
     umschlossenen Raum eindringen und den stämmigen Mountjoy erstechen können,
     ohne daß der Sheriff oder seine furchterregenden Hunde Krach
     geschlagen hatten?
    Und schließlich war da
     noch Fitzroy, getötet von unsichtbarer Hand. Wer konnte Gift
     verabreichen, ohne zu offenbaren, wie? Wer war dieser Ira Dei? Wer von
     diesen mächtigen Politikern war der Verräter?       
    Athelstan schüttelte den
     Kopf und wandte sich wieder den Rechnungsbüchern seiner Gemeinde zu.
     Er war müde, aber nach seiner Rückkehr aus der Stadt hatte er
     nur ein paar Stunden geschlafen, bevor er aufgestanden war und oben in
     seiner kleinen Schlafkammer bei Kerzenlicht seine Gebete verrichtet hatte;
     dann hatte er sich gewaschen und angekleidet. Er zog die Rechnungsbücher
     herüber. Er hatte Mord, Intrigen und Geheimnisse satt, und die Bücher
     mußten abgeschlossen werden, bevor er an St. Michaelis mit dem
     Gemeinderat zusammenkam.
    Athelstan nagte an seinem
     Federkiel. Der Machtkampf in seinem kleinen Gemeinderat tobte genauso wild
     wie der der Gildeherren. Watkin, der Mistsammler, Mugwort, der Glöckner,
     Tab, der Kesselflicker, der Maler Huddle, Ursula, die Schweinehirtin,
     Cecily, die Kurtisane, und Tiptoe, der Schankbursche aus der Taverne zum
     Gescheckten, wehrten immer noch eine erbitterte Attacke ab, die von Pike,
     dem Grabenbauer angeführt wurde. Auf der Seite des letzteren standen Jacob Arveid, ein freundlich
     blickender Deutscher mit einer hübschen Frau und einer Schar von
     Kindern, Clement aus der Cock Lane, die Flamin Pemel und Ranulf, der
     Rattenlanger. Athelstan und die Witwe Benedicta bemühten sich, währenddessen
     den Frieden zu erhalten.
    Benedicta … da stand
     sie vor seinem geistigen Auge; ihr kohlschwarzes Haar umrahmte ein
     glattes, olivfarbenes Antlitz, das dem Maler Huddle immer als Modell für
     die Jungfrau Maria diente.
    Athelstan starrte in die
     hungrigen Flammen des Feuers und dachte an Pater Pauls Warnung: »Vergiß
     niemals: Nicht das körperliche Verlangen nach einem Weibe wird dich
     heimsuchen, sondern die blanke, leere Einsamkeit, der bittersüße
     Geschmack der Sehnsucht nach jemandem, den du niemals besitzen kannst.«
     Er zuckte zusammen, als

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