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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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setzte.
    »Gottverdammt!«
     flüsterte er. Er klappte das Rechnungsbuch zu, räumte die übrigen
     Manuskripte beiseite und trug alles zu der großen, eisenbeschlagenen
     Truhe. Während er die Papiere hineinlegte und den Schlüssel im
     Schloß drehte, mußte er an den waghalsigen Raub im Rathaus
     denken. Hoffentlich war Sturmey noch am Leben. Wenn Cranston und er den
     Dieb fänden, würden sie auch den Mörder ausfindig machen.
     Er fuhr zusammen, als es laut an der Tür klopfte.
    »Pater! Pater!«
    Athelstan ging zur Tür
     und öffnete. Draußen stand Ursula, die Schweinehirtin; ihr
     sonst so heiteres rotes Warzengesicht war tränenüberströmt.
    »Oh, Ursula«,
     sagte Athelstan. »Doch nicht etwa deine Sau? Ich kann nicht schon
     wieder kommen und sie segnen.«
    »Nein, nein, Pater, es
     geht um meine Mutter. Sie stirbt!«
    »Bist du sicher?«
     fragte Athelstan. »Ich habe Griselda schon mindestens dreimal die
     Letzte Ölung gespendet«
    »Nein, Pater, sie sagt,
     sie stirbt. Sie kann es fühlen.«
    »Dann komm.«
    Athelstan schloß die
     Haustür und eilte hinüber zur Kirche. Drinnen war es kühl
     und dunkel und duftete nach Kerzentalg und Weihrauch. Das erste
     Morgenlicht beleuchtete Huddles Bilder an den Wänden, als Athelstan
     durch den Lettner in den Chor eilte. Er beugte das Knie und öffnete
     die Tabernakeltür, um das Viaticum und die Phiole mit dem Heiligen Ol
     herauszunehmen. Dann holte er Stola, Mantel, Zunder und eine Kerze aus der
     Sakristei und gab die Sachen Ursula, die im Vorraum der Kirche wartete. Er
     zündete die Kerze an, legte den Mantel um und schloß die
     Kirchentür ab; die Schweinehirtin beschirmte mit ihren großen,
     groben Händen die Kerzenflamme.
    Er folgte Ursula durch die
     schmalen, gewundenen Gassen von Southwark zum Haus der Schweinehirtin,
     einer kleinen, zweigeschossigen Hütte hinter dem Kloster von St. Mary
     Overy. Wie immer räkelte sich die mächtige Sau, Ursulas Haustier
     und die Sonne ihres Lebens, vor dem Feuer, während Griselda in der
     anderen Ecke hinter einem Vorhang auf einem Strohsack lag, den Kopf zurückgelegt;
     ihre Hakennase ragte in die Luft, und ihre Augen waren halb offen.
     Athelstan hätte sie bereits für tot gehalten, wenn sich ihre
     knochige Brust nicht leise gehoben und gesenkt hätte. Athelstan
     hockte sich neben sie und stellte das Viaticum und das Heilige Ol auf
     einen dreibeinigen Schemel. Ursula blieb hinter ihm stehen und hielt die
     Kerze. Natürlich mußte auch die Sau sehen, was da vor sich
     ging, und als sie Athelstan erkannte, dessen Kohlbeet sie mit schöner
     Regelmäßigkeit plünderte, begann sie aufgeregt zu grunzen
     und zu schnüffeln.
    »Ach, um Gottes willen,
     geh weg«, flüsterte er. »Ursula, um des lieben Herrgotts
     willen, gib ihr Kohl oder sonst etwas.«
    »Sie ißt keinen
     Kohl«, versetzte Ursula knapp, packte die Sau beim Ohr und zog sie
     weg.
    »Aye«, murmelte
     Athelstan bei sich. »Das verfluchte Vieh mag ihn nur, wenn er frisch
     ist!«
    »Seid Ihr das, Pater?«
    Athelstan beugte sich über
     die alte Frau; ihre Wangen waren eingefallen, die dicken, blutlosen Lippen
     geöffnet. Aber in den kleinen Knopfaugen leuchtete immer noch das
     Leben.
    »Ja, Mutter Griselda,
     ich bin's, Athelstan.«
    »Ihr seid ein guter
     Priester«, keuchte die Alte, »Ihr kommt, um die alte Griselda
     zu besuchen. Wollt Ihr meine Beichte hören, Pater?«
    Athelstan grinste. »Wieso
     - was hast du denn angestellt, Mutter, seit ich sie dir das letzte Mal
     abgenommen habe? Wie viele junge Männer waren es diesmal?«
    Die Lippen der Alten verzogen
     sich zu einem zahnlosen Lächeln.
    »Was hast du denn Wollüstiges
     und Liederliches getan?« fuhr Athelstan fort und betrachtete die
     alte Frau. »Komm, Griselda, du hast längst deinen Frieden mit
     Gott geschlossen.«
    Athelstan öffnete die
     goldene Pyxis, nahm die weiße Hostie heraus und schob sie der
     Sterbenden zwischen die Lippen. Dann salbte er ihr Haupt und Augen, Mund,
     Brust, Hände und Füße, während die Kiefer der Alten
     die dünne Oblate zermahlten. Endlich war er fertig. Ursula ging hinüber
     und schürte das kleine Feuer, und Griselda griff nach Athelstans
     Hand.   
    »Werde ich in den
     Himmel kommen, Pater?«
    »Natürlich.«    
    »Wird mein Mann auch da
     sein?«
    »Warum nicht?«
    »Er hat die Weiber
     geliebt, Pater. In seiner Jugend war er schön wie die Sonne. Sein
     Haar war wie reifes Korn, und seine Augen blau wie der

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