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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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eine dunkle Gestalt zum Fenster hereinschlüpfte.
    »Ah, guten Morgen,
     Bonaventura, mein treuestes Pfarrkind.«
    Der große Kater tappte
     leise zu seinem Herrn und warf hungrige Blicke auf die Hafergrütze,
     die über dem Feuer blubberte. Athelstan stand auf und holte ihm ein
     Schäfchen Milch aus der Speisekammer. Der Kater schleckte sie
     zierlich auf und machte es sich dann vor dem Feuer gemütlich, während
     sein Herr sich weiter über seine geplagten Pfarrkinder Gedanken
     machte. Er brauchte Frieden im Gemeinderat, vor allem, wenn er Watkins Töchter
     und den Sohn von Pike, dem Grabenbauer, trauen sollte.
    »Oh Gott!« sagte
     er zu dem inzwischen dösenden Bonaventura. »Das wird sein, als
     fahre der Fuchs unter die Hühner!«
    Bonaventura bewegte träge
     den Kopf; das eine gesunde bernsteingelbe Auge blickte seinen Herrn voller
     Mitgefühl an. Athelstan zog die Kontobücher näher zu sich
     heran. Er fragte sich, ob die Frau mit der besessenen Stieftochter noch
     einmal gekommen war, und ihn schauderte bei dem Gedanken, was ihn dort
     erwarten mochte. Er hustete, tauchte den Federkiel ins Tintenfaß und
     begann, die Spalten auszufüllen; er trug ein, was er für die
     Ausschmückung der Kirche ausgegeben hatte, nachdem der Altarraum mit
     neuen Platten ausgelegt worden war.
     
    - die Zehn Gebote
     ausgebessert 3 s
    - den Pontius Pilatus gefirnißt
     und einen neuen Vorderzahn eingesetzt 5d
    - den Himmel erneuert, die
     Sternbilder berichtigt & den Mond geputzt 20s
    - den Sohn des Tobias gesäubert
     4s 6d
    - die Flammen der Hölle
     aufgehellt, dem Teufel ein neues linkes Horn gemacht & den Schwanz
     gereinigt 3s
    - Ausgaben für die
     Verdammten 2s 6d
    - dem Jonas eine neues Hemd
     gemalt & den Rachen des Wales entsprechend vergrößert 10s
     6d
    - für Adam und Eva neue
     Feigenblätter gemacht 15s 
    Athelstan betrachtete seine
     Liste und lächelte. Gerade wollte er weiterschreiben, als es plötzlich
     leise an der Tür klopfte. Er stand auf, öffnete und schaute
     hinaus. Es war die Zeit der Schlaflosen, kurz vor dem Morgengrauen: Der
     Himmel wurde allmählich hell, und die Schatten begannen zu
     verschwinden.
    »Wer ist da?«
     rief er und schaute sich um. Für Kinderstreiche war es noch zu früh.
     »Wer ist da?« wiederholte Athelstan. Nur der Wind, der an
     einem losen Fensterladen an der Kirche rüttelte,
     störte die Stille. Athelstans Nackenhaare sträubten sich. Ein
     Schauder lief ihm über den Rücken. Er starrte auf den Weg neben
     der Kirche. War es irgendein Gauner? Ein Betrunkener aus den Bordellen von
     Southwark? Plötzlich sah er, daß die kleine Pforte zur Kirche
     halb offen stand. Er packte den Knüppel, den Cranston ihm gegeben
     hatte, und ging darauf zu.
    »Bruder Athelstan!«
    Die Stimme schien hinter der
     Kirche hervorzukommen, und wachsam ging der Ordensbruder um die Ecke,
     gefolgt von einem noch neugierigeren Bonaventura. Wieder rief die Stimme
     seinen Namen, und Athelstan spähte über die Grabsteine hinweg.
    »Wer ist da?«
     rief er erbost. »Hier ist kein Spielplatz, sondern ein Gotteshaus
     und ein Gottesacker.«
    »Dreh dich um, Bruder
     Athelstan!«
    »Warum sollte ich?«
    Ein Armbrustbolzen schlug
     neben seinem Kopf in die Kirchenmauer.
    »Du hast mich überzeugt«,
     rief Athelstan und drehte sich um; er schloß die Augen und ballte
     die Faust. »Was willst du?«
    »Ich bringe eine
     Botschaft vom Zorn Gottes. Du bist ein Ordensmann und ein Priester des
     Volkes. Was machst du dich gemein mit den fetten Lords der Erde?«
    »Wenn du der Zorn
     Gottes bist«, spie Athelstan, »dann bin ich Seine
     Gerechtigkeit!« 
    »Hüte dich vor
     Seinem Zorn«, sagte die Stimme klar und deutlich.
    Athelstan schaute Bonaventura
     an, dem dieses neue Spiel zu gefallen schien.
    »Cranston hat recht«,
     flüsterte er ihm zu. »Du taugst wirklich zu gar nichts.«
    »Hüte dich«,
     wiederholte die Stimme.
    Endlich brach sich Athelstans
     feuriges Temperament Bahn. »Ach, mach doch, daß du wegkommst!«
     rief er, stapfte den Weg an der Kirche entlang zurück zu seinem Haus
     und schlug die Tür dröhnend hinter sich zu.
    Eine Zeitlang stand er mit
     dem Rücken zur Tür und bemühte sich, seine zitternden Knie
     zu beruhigen. Wer wagte es, ihn hier zu verhöhnen? Was würde
     Cranston tun, wenn er das erfuhr? Athelstan marschierte in die
     Speisekammer, goß einen Becher Wein ein und stürzte ihn
     hinunter, bevor er sich wieder an den Tisch

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