Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
Vom Netzwerk:
wahnsinnigen
     Predigers noch mehr Nachdruck.
    »Diese Stadt ist
     verdammt wie Sodom und Gomorra! Wie auf Tyrus und Sidon und die Fleischtöpfe
     der Ebene wird der Zorn Gottes herniederfahren!« Der Mann schwenkte
     einen sehnigen Arm in Richtung Cheapside. »Ich bringe das brennende
     Kreuz in diese Stadt als Warnung vor den Feuern, die noch kommen werden!
     Also bereuet, ihr Reichen, die ihr euch auf goldenen Polstern räkelt,
     den Saft der Weintraube trinkt und euch das Maul mit den zartesten Speisen
     vollstopft!«
    Cranston und Athelstan
     schauten zu, wie der Mann weiterschwadronierte, obwohl jetzt Soldaten in
     der Livree der Stadt und mit dem Wappen John von Gaunts aus den Gassen zum
     Tower strömten. Die Soldaten bahnten sich mit der flachen
     Schwertklinge einen Weg durch die Menge, um den wahnsinnigen Propheten zu
     verhaften. Der Pöbel leistete Widerstand, die Stimmung war
     verdrossen; Prügeleien brachen aus, und als Athelstan wieder
     hinschaute, war der Prediger mit seinem Flammenkreuz verschwunden.
    »Kommt, Sir John, ich
     habe ein Geständnis zu machen.«
    Er führte den Coroner
     weg von dem Tumult.
    »Was gibt's, Bruder?«
    »Dieser Anführer
     der Großen Gemeinschaft, Ira Dei - er hat mir eine Warnung zukommen
     lassen.« Und Athelstan berichtete ausführlich von seinem
     seltsamen Besucher und auch von der Proklamation, die an seiner Kirchentür
     gehangen hatte.
    Mit schmalen Lippen hörte
     Cranston ihm zu. Er war so besorgt, daß er sogar seinen wunderbaren
     Weinschlauch vergaß.
    »Wieso kommen sie zu
     mir?« fragte Athelstan schließlich.
    Cranston blies die Wangen
     auf. »Aus Angst, und um dir zu schmeicheln, Bruder. Aus Angst, weil
     er weiß, daß du mein Schreiber und Secretarius bist.«
    »Und das zweite, Sir
     John?«
    Cranston grinste schief.
     »Für einen Pfaffen bist du ziemlich bescheiden, Athelstan. Hast
     du noch nicht gemerkt, wie sehr du bei den Armen und Unglücklichen in
     Southwark geachtet, ja, verehrt wirst?«
    Athelstan errötete und
     schaute weg.
    »Das ist doch lächerlich«,
     sagte er leise.
    »Oh nein, das ist es
     nicht!« versetzte Cranston und ging weiter. »Vergiß Ira
     Dei, Bruder. Wenn der Aufstand kommt, dann werden es Priester sein wie du,
     John More und Jack Straw, die das gemeine Volk führen.«
    »Ich werde mich in
     meiner Kirche verstecken«, gab Athelstan zurück. »Da wir
     gerade davon sprechen …« Er hielt vor St. Dunstan an und zog
     Philomels Zügel durch einen Haken an der Mauer.
    »Was ist los, Bruder?«
    »Ich will nachdenken,
     Sir John, und beten. Ich rate Euch, desgleichen zu tun.«
    Murrend und fluchend band
     Cranston sein Pferd an, nahm einen großzügigen Schluck aus dem
     wunderbaren Weinschlauch und folgte Athelstan in den kühlen, dunklen
     Vorraum der Kirche.
    In der Kirche brannten einige
     Fackeln, vor den Statuen der Hl. Jungfrau und der Hl. Joseph und Dunstan
     standen Kerzen; durch die bunten Glasfenster strömte Sonnenlicht und
     ließ die Bilder erstrahlen. Bewundernd schaute Athelstan zu den
     Fenstern hinauf.
    »So eins möchte
     ich zu gern haben«, flüsterte er. »Nur eins für St.
     Erconwald.«
    Während er die Fenster
     bestaunte, nahm Cranston einen winzigen Schluck aus seinem Weinschlauch
     und folgte dem Ordensbruder dann durch das Kirchenschiff zu einer Bank vor
     dem Lettner. Im Chorgestühl dahinter probten der Kantor und sein Chor
     die Michaelismesse. Athelstan setzte sich auf die Bank, schloß die
     Augen und lauschte den Worten.
    »Ich sah einen großen
     Drachen, der erschien in den Himmeln; er hatte zehn Häupter und auf
     jedem Haupt eine Krone, und sein mächtiger Schweif fegte ein Drittel
     aller Sterne vom Himmel. Und dann sah ich Michael mit dem Drachen kämpfen.«
    Triumphierend sang der
     machtvolle dreistimmige Chor die lateinische Schilderung vom großen
     Sieg des Erzengels Michael über den Satan.
    Athelstan schloß die
     Augen und betete zu Gott um Hilfe gegen das Böse, dem er jetzt gegenüberstand:
     Mountjoy, blutüberströmt in dem schönen Garten; Fitzroy,
     der sein Leben bei John von Gaunt über den goldenen und silbernen
     Tellern aushauchte; Sturmey, den der Menschenfischer wie ein Stück
     Abfall aus dem Fluß gefischt hatte und dessen Leichnam nun da lag,
     ausgestellt wie ein toter Kabeljau oder Salm.
    Er mußte an die Warnung
     denken, die ihm am Morgen überbracht worden war, und spürte, wie
     sein Zorn aufwallte. Der Mann, der sich
     Ira Dei nannte, war ein

Weitere Kostenlose Bücher