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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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des Törhauses. Als niemand kam, trat der
     Coroner, ohne auf Athelstans Fragen einzugehen, gegen die Tür und brüllte:
     »Komm schon, Burdon, du kleiner Dreckskerl! Wo steckst du?«
    Jetzt wurde die Tür
     aufgerissen, und eine kleine Kreatur mit behaartem Gesicht erschien, ein
     wahrer Wichtel. Athelstan lächelte Robert Burdon an, den Vater von
     mindestens dreizehn Kindern und Konstabler des Torturms.
    »Ach, Ihr seid's,
     Cranston. Was wollt Ihr?«
    »Kann ich hereinkommen?«
     fragte Sir John.
    »Nein, verdammt, das könnt
     Ihr nicht! Ich bin beschäftigt.«
    Cranston spähte zu den
     Stangen über dem Torhaus mit ihrer grausigen Zierde: Dort steckten
     die abgeschlagenen Köpfe von Verrätern und Verbrechern.
    »Gut«, sagte
     Cranston leise. »Aber wer stiehlt die Schädel?«
    »Zum Teufel, das weiß
     ich nicht!« erwiderte Burdon und schob die Daumen hinter seinen Gürtel;
     seine kleinen dunklen Augen funkelten Athelstan an. »Was soll ich
     machen, Pater? Mein Auftrag ist sehr einfach: Ich soll das Torhaus
     bewachen und die Köpfe auf die Stangen spießen, und ich kümmere
     mich immer um sie. Aber wenn eine abscheuliche Viper kommt und sie stiehlt
     - was kann ich da machen?« Er plusterte seinen kleinen Brustkasten
     auf, so daß er Athelstan noch mehr an ein Sperlingshähnchen
     erinnerte. »Ich bin Konstabier, kein Wachsoldat.«
    »Robert!« Die
     Frauenstimme, die von drinnen kam, klang sanft und verlockend.
    »Meine Frau«,
     erklärte Burdon. »Sie wird Euch das gleiche sagen. Ich weiß
     nicht, was passiert ist, Sir John. Ich gehe ins Bett, die Köpfe sind
     da. Ich wache auf, und die Köpfe sind weg, obwohl jemand aufpaßt.«
     Er beugte sich vor. »Ich glaube, das sind die Hexen«, raunte
     er. »Die durch die Nacht reiten.«
    »Blödsinn!«
     donnerte Cranston.
    »Na gut, das ist die
     einzige verdammte Antwort, die Ihr von mir kriegt. Also macht Euch fort!«
     Burdon verschwand und schlug die Tür hinter sich zu.
    Cranston schüttelte den
     Kopf und nahm einen großzügigen Schluck aus seinem
     Weinschlauch.
    »Komm, Bruder.«
    »Was glaubt Ihr, wer
     die Köpfe stiehlt?« fragte Athelstan, schlang sich Philomels Zügel
     um das Handgelenk und ritt neben Cranston her.
    »Weiß der Himmel,
     Bruder. In dieser Stadt tummeln sich alle Dämonen der Hölle. Es
     könnte ein Zauberer sein oder eine Hexe. Die Gilden waren besonders wütend
     über das Verschwinden eines Schädels dieses französischen
     Kaperkapitäns, Jacques Larue du erinnerst dich, der vor Gravesend
     aufgebracht wurde. Rätsel über Rätsel.« Cranston
     seufzte und blieb vor der Kapelle des Hl. Thomas stehen, die mitten auf
     der Brücke thronte.
    »Vergiß den Schädeldieb«,
     knurrte er. »Wen kümmert das schon? Burdon nicht, und die
     Wachen der Gilden sind halb hinüber vom Saufen.« Er deutete mit
     dem Kopf auf die eisenbeschlagene Kapellentür. »Vor Jahren, als
     ich noch rank und schlank war, ein wahrer Greyhound, da kamen Oliver
     Ingham und ich hierher, um unsere Gelübde als Ritter abzulegen und
     unsere Schwerter dem Dienst am König zu weihen. So viele Jahre ist
     das her.« Tränen brannten in Sir Johns Augen. »Jetzt bin
     ich fett und alt, und ein hartherziges Weib aus der Hölle
     läßt Oliver ermordet und stinkend in seinem Bett liegen, wo die
     Ratten an seiner Leiche nagen. Sie hat ihn umgebracht! Du weißt es,
     Athelstan. Ich weiß es. Sie weiß es.«
    »Und Gott weiß es
     auch«, fügte Athelstan sanft hinzu. »Kommt, Sir John, laßt
     die Sache ruhen.«
    Sie überquerten die Brücke
     und wandten sich nach rechts, nach Billingsgate, wo der Fischmarkt in
     vollem Gange war. Das Geschrei und der Aufruhr, den Händler und Käufer
     veranstalteten, summte in ihren Ohren wie ein Hornissennest. Der ganze Kai
     schien von Schubkarren bedeckt zu sein, manche mit Körben, andere mit
     Säcken beladen. Die verworrene Takelage der Fischerboote am Flußufer
     erinnerte Athelstan an Seehäfen. Der Geruch von Fischen und Muscheln,
     von Heringen, Sprotten und Kabeljau war überwältigend.
    »Feiner Kabeljau, der
     beste auf dem Markt!« schrie ein Standbesitzer ihnen entgegen.
     »Wunderschöne Hummer, gut und billig! Herrliche Krebse, alle
     lebendig!« rief ein anderer.
    Cranston und Athelstan führten
     ihre Pferde vorbei an Ständen, auf denen Steinbutt mit perlmuttweißem
     Bauch neben scharlachroten Hummern schimmerte. Braune Körbe voll
     wimmelnder Aale standen um dampfende Kessel herum, wo Muscheln in

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