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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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gebracht.«
    »Werkstatt?«
     fragte Athelstan.
    »Ihr werdet schon
     sehen.«
    Cranston warf Athelstan einen
     warnenden Blick zu.
    »Sonst war niemand da?«
     fragte der Coroner. »Ihr habt niemanden in der Nähe gesehen?«
    Der Mann schüttelte den
     Kopf.
    »Keine Menschenseele.
     Ich sage Euch, Sir John, der Kai war völlig verlassen. Ich habe auch
     niemanden gehört.«
    »Aber wie kann das
     sein?« fragte Athelstan. »Wie kann jemand auf Sturmey zugehen,
     ihm ein Messer ins Herz stoßen und verschwinden wie eine Rauchwolke?«
    Der Menschenfischer zuckte
     die Achseln und leerte seinen Weinbecher. »Ich ziehe nur die Leichen
     heraus«, sagte er. »Ich kann nicht sagen, warum sie gestorben
     sind. Kommt, ich zeige ihn Euch.«       
    Er führte sie von der
     Schenke zu einer Seitenstraße und bog dann in eine schmale Gasse
     ein. Vor einem langen, scheunenartigen Gebäude blieb er stehen und
     öffnete die mit einem Vorhängeschloß gesicherte Tür.
     Sofort bedeckte Athelstan Nase und Mund, denn der Gestank war gräßlich.
     Der Menschenfischer zündete Fackeln an; blakend geriet das Pech in
     Brand, und Athelstan schaute sich um. Etwa ein Dutzend Tische füllten
     den Raum. Einige waren leer, auf anderen lagen lederbedeckte Bündel.
    »So, welcher ist nun
     Sturmey?« murmelte der Menschenfischer bei sich. Er zog eine
     Lederdecke beiseite. »Nein. Das ist der Selbstmord.« Er blieb
     stehen, legte den Finger an die Lippen und deutete dann auf ein anderes Bündel.
     »Und das ist der Betrunkene. Also ist das« - triumphierend
     schlug er die Decke zurück »Sturmey!«
    Ausgestreckt lag der tote
     Schlosser da; das Gesicht war gespenstisch weiß, sein Haar und die
     Kleider waren naß. Auf seiner Brust war ein dunkelroter Fleck. Neben
     dem Leichnam lag ein langes Messer. Athelstan nahm es behutsam in die
     Hand.
    »Das gleiche«,
     murmelte er, »wie bei Mountjoy.« Er warf noch einen Blick auf
     den Toten. Cranston wandte sich ab und labte sich geschäftig an
     seinem Weinschlauch.
    »Woher wißt Ihr,
     daß es Sturmey ist?« fragte Athelstan.
    »Er hatte eine Liste
     mit Besorgungen in seiner Tasche, und darauf stand sein Name«,
     antwortete der Menschenfischer. »Und Mylord Coroner hatte mich und
     die anderen meiner Zunft schon beauftragt, nach dem Mann Ausschau zu
     halten.« Sein Gesicht wurde noch länger. »Den Rest wißt
     Ihr. Habt Ihr genug gesehen?« 
    »Bei den Zähnen
     der Hölle, ja!« blaffte Cranston. »Decke sein Gesicht zu!«
    »Wenn Ihr mir die drei
     Pence bezahlt, Sir John, dann gebe ich den Leichnam frei.«
    Cranston nahm noch einen
     Schluck aus seinem wunderbaren Weinschlauch. »In Ordnung«,
     erwiderte er verdrossen. »Um Himmels willen, Athelstan, laß
     uns hier verschwinden!«

 
    Sieben
    Cranston und Athelstan
     kehrten zum Stall zurück, um ihre Pferde zu holen.
    »Noch einen Becher
     Roten, Bruder?«
    »Nein, Sir John. Genug
     des bösen Trankes für diesen Tag. Sagt, ist Euch eingefallen,
     woher Ihr Sturmeys Namen kanntet?«
    Cranston schüttelte den
     Kopf. »Aber eins weiß ich jetzt, Bruder: Sturmey wurde
     ermordet, weil er etwas wußte, das Rätsel der ausgeraubten
     Truhe lösen konnte.« Cranston starrte zwei Leprakranken nach,
     die ganz in Schwarz gekleidet die Straße hinunterschlichen, voller
     Angst, daß man sie erkennen könnte. »Sturmey wurde nach
     Billingsgate gelockt«, fuhr er fort. »Aber wieso? Was konnte
     einen angesehenen Schlosser dazu bringen, sich an Verrat und Raub zu
     beteiligen?«
    »Es gibt nur eine
     Antwort, Sir John. Ich bezweifle, daß er sich hat bestechen lassen;
     also lautet die Antwort: Erpressung. Wenn Ihr Euer wunderbares Gedächtnis
     durchforscht, werdet Ihr bestimmt etwas ziemlich Unappetitliches über
     Master Sturmey herausfinden.«
    Cranston nickte. Sie führten
     die Pferde weiter die Straße hinauf, wo ihre Aufmerksamkeit auf eine
     Menschenmenge gelenkt wurde, die eine gespenstische, in ein Ziegenfell
     gekleidete Gestalt umringte. Der Mann hatte langes, graues Haar, das ihm
     bis auf die Schultern reichte, und die untere Hälfte seines Gesichts
     war unter einem dichten, buschigen Bart verborgen; seltsame, wahnsinnige
     Augen musterten die Menge, die fasziniert war von diesem Propheten des
     Weltuntergangs und dem hohen, brennenden Kreuz in seiner Hand. Das Kreuz,
     dessen Querbalken mit Pech und Teer bestrichen war, loderte wild, und die
     Flammen und der schwarze Rauch verliehen den Warnungen des

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