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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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unter dem Lavarium hervor und wich mühelos dem
     Kerzenleuchter aus, den der wütende Cranston nach ihm schleuderte.
    »Verdammte Ratten!«
     wiederholte er. »Die Stadt ist verseucht von ihnen. Die Hitze lockt
     sie heraus.«
    Er betrachtete den einsamen,
     verhüllten Leichnam seines Freundes. Als er gekommen war, hatte Sir
     Oliver Ingham schon seit Stunden tot dagelegen, und zwei Ratten nagten an
     seiner Hand. Cranston hatte Inghams hübsches junges Weib lautstark
     beschimpft, aber sie hatte nur verschlagen gelächelt und gesagt, sie
     habe ihr Bestes getan, den Leichnam ihres Gatten zu schützen, seit er
     vor einer Weile von einem Diener gefunden worden sei.
    »Er hatte ein schwaches
     Herz, Sir John«, hatte sie gelispelt und dabei eine zarte, weiße
     Hand auf den Arm ihres »guten Vetters« Albric Totnes gelegt.
    »Ein feiner Vetter!«
     knurrte Cranston. »Ich wette, die zwei haben zwischen den Laken
     getanzt, während Oliver im Sterben lag. Verdammte Mörderbande!«
    Er wühlte in seiner Börse
     und förderte einen kurzen Brief zutage, den Oliver Ingham ihm am Tag
     zuvor geschickt hatte. Er setzte sich und las ihn noch einmal, und seine
     großen, vorquellenden Augen füllten sich mit Tränen.
    Ich sterbe, alter Freund.
     Ich habe die größte Torheit begangen, die ein alter Mann
     begehen kann: Ich habe eine Frau geheiratet, die vierzig Jahre jünger
     ist ab ich. Eine Ehe zwischen Mai und Dezember, fürwahr, aber ich
     glaubte, sie liebt mich. Ich mußte feststellen, daß sie es
     nicht tut. Aber ihr Lächeln und ihre Berührung haben mir genügt.
     Jetzt merke ich, daß sie mich betrogen hat und womöglich meinen
     Tod plant. Wenn ich plötzlich sterbe, alter Freund, und wenn ich
     allein sterbe, dann wurde ich ermordet. Meine Seele wird zu Gott um Rache
     schreien und zu Dir um Gerechtigkeit. Vergiß mich nicht.
    Oliver
    Cranston faltete das
     Pergament säuberlich zusammen und steckte es ein. Noch hatte er es
     niemandem gezeigt, aber er glaubte, daß sein Freund recht hatte.
     Etwas in seinem Blut flüsterte »Mord!«, aber wie sollte
     er das beweisen? Sir Oliver war am
     Vormittag von einem Diener tot in seinem Bett gefunden worden, und man
     hatte nach Cranston geschickt, weil er sein Freund war und noch dazu der
     Coroner. Bei seiner Ankunft hatte er Inghams junge Frau Rosamund zusammen
     mit ihrem »Vetter« auf dem Söller beim Essen vorgefunden,
     und der Arzt der Familie, ein kahlköpfiger, frettchengesichtiger Mann
     in stinkenden Gewändern, hatte schlicht erklärt, Sir Olivers
     schwaches Herz habe versagt und seine Seele sei zu Gott gegangen.
    Cranston stand auf und ging
     wieder zum Bett; dort lag noch immer der Krug, den Oliver im Todeskampf
     vom Tisch gestoßen hatte. Auf sein Drängen hatte der Arzt
     zuerst am Krug, dann an Olivers liebstem Becher geschnuppert und feierlich
     verkündet:
    »Nein, Sir John. Nichts
     als Rotwein und vielleicht ein bißchen von dem Fingerhut, den ich
     Sir Oliver zur Kräftigung des Herzens verschrieben habe.«
    »Könnte jemand
     mehr davon hineingetan haben?« hatte Cranston gefragt.
    »Natürlich nicht!«
     war die schroffe Antwort gewesen. »Was wollt Ihr damit andeuten, Sir
     John? Eine größere Dosis Fingerhut, und Becher und Krug würden
     danach stinken.«       
    Sir John hatte sich gefügt
     und nach Theobald de Troyes geschickt, seinem eigenen Arzt - einem Mann,
     der sich auf seine Kunst verstand und so viele bei Hofe zu seinen
     Patienten zählte. Theobald hatte Leichnam, Becher und Krug auf das gründlichste
     untersucht.
    »Der Arzt hat recht«,
     hatte er schließlich gesagt. »Wißt Ihr, Sir John, wenn
     Sir Oliver zuviel Fingerhut abbekommen hätte, würde sein
     Leichnam Spuren davon aufweisen. Aber ich kann nur die Wirkung eines plötzlichen Anfalls entdecken,
     und der Becher enthält nichts als Spuren von Wein und ein wenig
     Fingerhut, aber nicht mehr, als ein guter Arzt verschreiben würde.
     Der Krug riecht auch nicht nach Fingerhut.«
    »Irgendwelche Spuren
     von Gewalt?« hatte Cranston gefragt.
    »Nicht die geringsten,
     Sir John.« Theobald hatte den Blick gesenkt. »Nur die
     Rattenbisse an den Fingern der rechten Hand, Sir John. Als Sir Oliver
     gestern abend zu Bett ging, fühlte er sich nicht wohl. Seine Diener hörten,
     wie er über Schwäche, Schwindel und Schmerzen in der Brust
     klagte. Er schloß seine Kammertür ab und ließ den Schlüssel
     im Schloß stecken. Die Fenster waren mit

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