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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Heiligen. Er hat dich angebetet, du bleiche Stute, und du hast ihm
     das Herz gebrochen. Du hast ihn betrogen. Ich weiß, daß du ihn
     ermordet hast. Gott allein weiß, wie du es gemacht hast, aber ich
     werde es herausfinden.« Cranston stieß die beiden zurück
     auf ihre Fensterbank. »Glaubt mir, ich werde euch beide tanzen
     sehen: in Smithfield, am Ende eines Stricks.«
    Er machte auf dem Absatz
     kehrt und ging zur Tür.
    »Cranston!« rief
     Rosamund.
    »Ja, du Bestie«,
     antwortete er, ohne stehenzubleiben.
    »Ich bin unschuldig am
     Tode meines Gemahls.«
    Der Coroner machte ein unhöfliches
     Geräusch mit den Lippen.
    »In zehn Tagen wird das
     Testament meines Gatten verlesen werden. All sein Besitz und Reichtum
     werden mir gehören. Ich werde diesen Reichtum dazu nutzen, Euch vor
     Gericht zu bringen, wegen Verleumdung und übler Nachrede.«
    »In zehn Tagen«,
     versetzte Cranston, »sehe ich euch beide in Newgate. Den Toten dürft
     ihr hinausbringen, aber sonst nichts anrühren. Ich habe eine Liste
     von allem, was da ist!«
    Cranston ging in den Korridor
     hinaus und bemühte sich, seinen Zorn im Zaum zu halten, als er das höhnische
     Gelächter hinter sich hörte. Inghams alter Gefolgsmann Robert
     stand an der Haustür; er war bleich wie die Wand.
    »Sir John«, flüsterte
     er, »wie könnt Ihr beweisen, was Ihr da sagt?«
    Eine Hand am Türriegel,
     blieb Cranston stehen und schaute dem Diener in das faltige, müde
     Gesicht.
    »Ich kann und werde es
     tun«, brummte er. »Aber erzähle mir noch einmal, was
     gestern passiert ist.«
    »Mein Herr war seit
     Tagen krank und erschöpft, er klagte über Schwindelgefühle
     im Kopf und Schmerzen in der Brust. Gestern abend stand er vom Essen auf
     und nahm seinen Weinbecher mit. Ich sah, wie er in die Speisekammer ging
     und eine kleine Dosis Fingerhut in den Krug gab, die er später mit
     Wein mischen wollte, wie sein Arzt es ihm verordnet hatte. Dann ging er zu
     Bett. Er verschloß seine Kammertür, und weil ich mir Sorgen
     machte, stand ich davor Wache.« Die Stimme des Mannes zitterte.
     »Ich dachte, ich lasse ihn ausschlafen, aber als die Glocken von St.
     Mary Magdalen zum Vormittagsgebet läuteten, versuchte ich doch, ihn
     zu wecken. Ich rief die Diener, wir brachen die Tür auf. Den Rest
     kennt Ihr.«
    »Konnte niemand ihn vor
     den Ratten bewahren?« fragte Cranston erbost.
    »Sir John, das Haus ist
     voll von ihnen. Lady Rosamund haßt Katzen und andere Tiere.«
    Sir John klopfte ihm auf die
     Schulter. »Deinem Herrn wird Gerechtigkeit werden, dafür sorge
     ich. Jetzt bete für seine Seele und kümmere dich um seinen
     Leichnam. Einer meiner Amtsdiener wird kommen und das Zimmer versiegeln.«
    Sir John trat auf die Milk
     Street hinaus. Er ging in die Kirche von St. Mary Magdalen und zündete
     fünf Kerzen vor der lächelnden Jungfrau mit dem Kinde an.
    »Eine für Maude,
     zwei für die Kerlchen«, flüsterte er und dachte an die prächtigen,
     stämmigen Söhne, die jetzt schon sechs Monate alt waren. »Eine
     für Athelstan«, fuhr er fort,
     »und eine für Sir Oliver, Gott schenke ihm die ewige Ruhe.«
    Sir John kniete nieder, schloß
     die Augen und sagte drei Avemaria auf, bevor er merkte, wie durstig er
     war.
    Schwerfällig wanderte er
     aus der Kirche, die Milk Street hinunter und in die verlassene Cheapside.
     Die Standbesitzer hatten für heute geschlossen, ihre Ware in die
     Vorderräume ihrer Läden geschafft, die Stände abgebaut und
     die breite Straße den Knochen- und Lumpensammlern überlassen.
     Eine Hure hielt träge nach Kundschaft Ausschau, Köter balgten
     sich, und fette Straßenkatzen konnten ihr Glück kaum fassen,
     als Myriaden von Ratten die Berge von Müll und menschlichem Abfall plünderten.
     Ein paar Kesselflicker und Hausierer versuchten immer noch, Geschäfte
     zu machen; sie brüllten Sir John gutmütige Schmähungen zu,
     und der zahlte es ihnen mit gleicher Münze heim, während er
     schnurstracks seiner Lieblingsschenke zustrebte, dem Heiligen Lamm Gottes.
    In der stickigen,
     anheimelnden Wärme des Schankraums hellte Sir Johns Miene sich auf.
     Ein Büttel saß auf Cranstons Lieblingsstuhl mit der hohen Lehne
     am offenen Fenster mit Blick auf einen freundlichen Garten. Sir John
     hustete nur, und der Bursche huschte davon wie ein erschrockenes
     Kaninchen. Sir John setzte sich, klopfte auf den Tisch und betrachtete
     beifällig das dunkel polierte Holzwerk und die weiß verputzten
    

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