Der Zorn Gottes
Athelstan beinahe umgerannt.
»Du verdammtes kleines
Luder!« brüllte er das Mädchen an.
Athelstan starrte ihn verblüfft
an. Er merkte, daß das Hämmern in den Wänden aufgehört
hatte. Das Mädchen aber kreischte weiter seine Beschuldigungen, bis
Cranston ans Bett trat und ihr rechts und links eine Ohrfeige verpaßte.
Dann packte er sie bei den Schultern und schüttelte sie.
»Aufhören!«
donnerte er. »Hör auf, du verlogene kleine Dirne!« Wütend
sah er Athelstan an. »Du bist hereingelegt worden, Bruder!«
Wieder schüttelte er das Mädchen. »Eine raffinierte kleine
Verschwörung zwischen dieser Kleinen und ihrer Amme.«
Seine Worte hatten die gewünschte
Wirkung. Das Mädchen verstummte. Das Feuer des Hasses in ihren Augen
erlosch, und furchtsam schaute sie erst Athelstan und dann Sir John an.
Cranston sank auf die Bettkante und wischte sich den Schweiß von der
Stirn.
»Diese kleine Hexe«,
keuchte er, »und ihre Amme haben ein Gemisch von Lügen und Täuschungen
zusammengebraut. Komm her, Mann!« Er winkte Walter Hobden herein.
Der Vater des Mädchens trat zögernd ein, und sie barg das
Gesicht in den Händen und schluchzte lautlos. »Bist du denn nie
auf den Gedanken gekommen«, fragte Cranston den Mann höhnisch,
»daß dies alles nur ein Mummenschanz sein könnte?«
»Aber sie hat Anna
vertrieben«, klagte er.
»Hör zu, du
Erbsenhirn«, erwiderte Cranston und stand auf, »das war doch
Teil der Maskerade. Es sollte so aussehen, als seien die beiden
verfeindet! Während Elizabeth hier oben Hof hielt, nutzte die gute
Amme, die in die Küche verbannt war, allerlei Kaminlöcher und Lücken
in der Wandtäfelung, um das Pochen erschallen zu lassen.« Er
trat an den kleinen Kamin. »Dies ist ein altes Haus«, erklärte
er. »Hier sind Essen und Rauchabzüge, Kamine und alte Spalten.
Wenn du hinunter in die Küche gehst zur großen Feuerstelle,
dann kannst du dort mit sorgfältig in den Schlot hinaufgeschobenen
Stangen klappern und so im ganzen Haus Getöse erschaffen. Das habe
ich schon öfter gesehen. Ein Kinderspiel, das man am Vorabend von
Allerheiligen treibt.« Cranston klopfte an die Wandtäfelung.
»Und das hier hilft wahrscheinlich. Es läßt das Echo noch
lauter klingen. Ich war unten in der Küche, und da hockte die alte
Anna wie eine Mitternachtshexe am Kamin und klapperte geschäftig mit
ihren Eisenstangen.«
»Aber die Stimme?«
Eleanor Hobden kam herein.
»Ach, um Himmels
willen, Weib!« antwortete Cranston verächtlich. »Hast du
noch nie gehört, daß jemand Stimmen nachahmt?« Er sah den
verblüfften Athelstan an. »Ich glaube, dein Meßdiener
Crim, so klein er ist, kann mich sehr gut imitieren, nicht wahr?«
Athelstan lächelte matt.
Er war erleichtert über Cranstons unverhoffte Enthüllungen und
den kurzen Prozeß, den der Coroner mit all diesem betrügerischen
Mummenschanz gemacht hatte; verspürte aber immer noch ein tiefes
Unbehagen.
»Aber dieser Geruch?«
Athelstan schnupperte.
»Oh, ich bin sicher,
auch dafür findet sich eine Antwort.«
Cranston kniete nieder, griff
unter das Bett und förderte zwei kleine, unverschlossene Töpfe
zutage. Dann ging er auf die andere Seite und
fand dort das gleiche. Er nahm einen hoch, schnupperte daran und wich
angewidert zurück; dann gab er ihn Athelstan.
»Weiß der Himmel,
was das ist. Wahrscheinlich Ziegenkäse.«
Athelstan roch daran und
wandte sich voller Abscheu ab. »Ziegenkäse«, hustete er,
»und noch etwas anderes.«
»Ein bekannter Trick«,
bemerkte Cranston. »Man nimmt die Deckel ab, und verglichen damit
duftet ein Schweinestall nach Rosen.« Er grinste. »Stell die Näpfe
offen unters Bett, wedle mit den Decken, und ein Gestank aus der Hölle
weht herauf.«
Athelstan betrachtete das
schluchzende Mädchen. Ein Gepolter vor der Tür zeigte an, daß
die furchterregende Eleanor Hobden jetzt die alte Amme die Treppe herauf
zerrte. Mit verächtlichem Blick auf ihren Mann kam sie herein und
stieß die widerstrebende Anna, die vor Angst einer Ohnmacht nahe
schien, auf die Binsenstreu nieder. Dann ging sie zum Bett, packte
Elizabeth bei den Haaren und riß ihr den Kopf in den Nacken. Trotz
des bösartigen Spiels empfand Athelstan Mitleid mit dem Mädchen.
Ihr Gesicht sah gespenstisch aus: rotgeränderte Augen und fahle, tränennasse
Wangen. Sie hatte sich auf die Lippen gebissen, und Blut
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