Der Zorn Gottes
will nichts mit mir zu
tun haben.«
Athelstan musterte Anna; sie
hatte schwarze Knopfaugen, strähniges graues Haar und eine schmale
Nase, und er ahnte eine Bosheit, die sein Unbehagen nur verstärkte.
»Möchtet Ihr einen
Schluck Wein?« fragten die Hobdens.
»Nein, nein«,
sagte Athelstan und packte seine Tasche mit dem heiligen Ol und der
Weihwasserflasche noch fester.
»Kann ich helfen?«
erbot sich Anna.
»Nein.« Eleanor
Hobden fiel ihr schroff ins Wort. »Anna, geh wieder in die Küche.
Walter und ich Kümmern uns um alles.«
Athelstan straffte sich, als
er eine Stimme rufen hörte: »Walter! Walter!«
Er sah Hobden an, dessen
Gesicht noch bleicher geworden war.
»Es fangt wieder an«,
wisperte der Mann. »So fangt es jeden Abend an.«
»Still, Mann; es ist
nur deine Tochter, die dich ruft.«
»Nein!« Hobden
verdrehte die Augen wie ein verängstigtes Tier. »Sir John, ich
schwöre, das ist die Stimme meiner toten Frau!«
Athelstan unterdrückte
das Zittern seiner Knie.
»Wir gehen am besten
hinauf«, sagte er entschlossen. »Master Hobden, würdest
du mir den Weg zeigen?«
Wie ein Verurteilter, der die
Stufen zum Galgen hinaufsteigt, führte Hobden sie eine dunkle,
gewundene Treppe hinauf in den ersten Stock und durch einen Gang zu einer
halboffenen Tür. Langsam schob er sie weit auf, blieb stehen, eine
Hand am Türrahmen, und spähte in die von einer Kerze erhellte
Kammer. Athelstan, Cranston und Benedicta standen dicht hinter ihm und
schauten zu der jungen Frau hinein, die auf dem großen,
vierpfostigen Bett lag; ihr dunkles Haar war hinten zusammengebunden und
die weiße Gesichtshaut so straff gespannt, daß die hohen
Wangenknochen deutlich hervortraten. Mit glasigen Augen starrte sie ihren
Vater und die anderen an.
»So, du hast Besuch
mitgebracht, Walter? Zeugen deines Verbrechens?«
Athelstan sah verwundert, daß
die Lippen sich bewegten, während die Stimme hohl und körperlos
klang.
»Elizabeth!« stöhnte
Hobden. »Hör auf damit!«
»Womit soll ich aufhören,
Walter? Du hast mich ermordet, getötet mit rotem Arsen, mich
vergiftet, damit du eine andere Frau heiraten konntest.«
»Das ist nicht wahr!«
Walter wollte weitersprechen,
als plötzlich das Klopfen einsetzte, langsam erst, undeutlich, doch
dann breitete es sich vom Erdgeschoß des Hauses nach oben aus, als käme
hinter der Wandtäfelung eine dunkle Kreatur aus der Hölle
heraufgekrochen.
Benedicta wich zurück.
»Pater«, wisperte sie, »seid vorsichtig!«
Athelstan trat ins Zimmer und
ging auf das Fußende des Bettes zu. Die dunklen, glasigen Augen des
Mädchens faszinierten ihn, ebenso die Lippen, die eine Litanei von
Anklagen formten. Das Klopfen dröhnte wie Trommelschlag, und ein
furchtbarer Gestank erfüllte die Kammer und ließ Athelstan würgen.
Er nahm all seinen Mut zusammen.
»Elizabeth Hobden, im
heiligen Namen Christi bitte ich dich, höre auf! Ich befehle dir
aufzuhören!«
Er schnürte seine Tasche
auf und nahm mit zitternden Händen die Weihwasserflasche und das
Aspergillum heraus. Er sprengte das Weihwasser vor sich und schlug ein
Kreuz, aber Elizabeth redete immer weiter. Mit schneidender Stimme
wiederholte sie pausenlos die Anschuldigungen gegen ihren Vater. Athelstan
bemühte sich, seine Angst zu verbergen, als er die eigentliche
Exorzismuszeremonie begann und mit einer feierlichen Litanei Christus,
Seine Selige Mutter und alle Engel und Heiligen anrief. Seine Worte gingen
unter im Geschrei des Mädchens und dem furchtbaren Hämmern in
den Wänden, und der Geruch wurde immer abscheulicher.
Athelstan versuchte
fortzufahren, auch als eine kleine innere Stimme anfing, seinen eigenen
Glauben in Zweifel zu ziehen. Er warf einen Blick hinter sich und sah
Benedictas weißes Gesicht. Hobden stand schreckensstarr in der Tür.
Von Cranston war nichts zu sehen. Ach, Sir John! dachte Athelstan. Jetzt,
in der Stunde meiner Not…
Er wandte sich wieder dem Mädchen
zu - die Augen blickten haßerfüllt, und Schultern und Kopf
lehnten starr auf den weißen Kissen. Sie schien sich seiner
Anwesenheit nicht bewußt zu sein und starrte an ihm vorbei ihren
Vater an. Als Athelstan wieder zu beten anfing, hörte er
plötzlich aus dem Zimmer unter ihnen einen Schrei. Jemand rief, und
Schritte polterten die Treppe herauf. Cranston stürzte schwer atmend
herein und hätte
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