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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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habe ich noch vor mir.«
    Cranston nickte weise.
     »Und dein Meister hat immer hier gearbeitet?«
    »Oh ja, hier oder im
     Garten.«
    »Und er bekam nie
     Besuch?« lächelte Cranston. »Von diesem jungen Edelmann
     hier, zum Beispiel?«
    Der Bursche schaute Clifford
     an und schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Es kamen immer nur der
     Bürgermeister und der Sheriff.«
    Athelstan verließ die
     Werkstatt und ging den Korridor hinunter. Er lächelte der jungen Magd
     in der Küche zu und ging durch die Hintertür hinaus. Der Garten
     war gut gepflegt mit einem kleinen Rosengebüsch, einem Gemüsebeet
     sowie Blumen und Kräutern, Iris, Lilien, Primeln und Kornblumen, die
     einen kleinen Teich umstanden. Die Luft war vom süßen Duft der
     Kräuterbeete erfüllt: Kamille, Fenchel, Lavendel, sogar ein
     wenig Ysop und Majoran wuchsen dort. Athelstan sah ein kleines Backsteinhäuschen
     am Ende des Gartens und folgte dem Pfad dorthin. Überrascht stellte
     er fest, daß die schwere Tür verriegelt und mit einem Vorhängeschloß
     gesichert war. Er kehrte ins Haus zurück und fragte den Jungen nach
     dem Schlüssel. Der schüttelte den Kopf.
    »Den hat Master Sturmey
     extra aufbewahrt«, erklärte er. »Wir durften dort nie
     hinein.«    
    Neugierig geworden, folgten
     Cranston und Clifford Athelstan hinaus in den Garten. Der Coroner hatte
     Hammer und Meißel von einer Werkbank mitgenommen und machte kurzen
     Prozeß mit dem Vorhängeschloß. Im Innern des steinernen
     Schuppens roch es muffig. Cranston stieß die Fensterläden auf
     und schaute sich um. Er sah eine Werkbank und ein paar Truhen. Grinsend
     deutete er auf eine kleine Esse.   
    »Hier hat er die Schlüssel
     gemacht«, erklärte er und hatte mit Hammer und Meißel die
     Truhen im Handumdrehen geöffnet. Darin lagen alle Werkzeuge, die ein
     Schlosser benötigte: Blei- und Stahlstreifen, Gußeisen und Schlüsselrohlinge.
     Cranston wühlte in einer der Truhen und förderte eine Gießform
     zutage, die absichtlich zerschlagen worden war. Er gab sie Clifford.
    »Wenn Ihr damit zum
     Lord Regenten geht, dann werdet Ihr feststellen, daß Sturmey diese
     und andere benutzt hat, um einen zweiten Satz Schlüssel herzustellen;
     das ist so sicher, wie Katzen gern Milch trinken.«
    »Aber für wen hat
     er das gemacht?« fragte Clifford.
    »Ah, das ist das Rätsel.«
    Cranstons Blick fiel auf ein
     kleines Buch, das tief im Dunkel der Truhe lag. Er nahm es heraus, während
     Clifford in den Garten hinausging, um die Bruchstücke der Gießform
     genauer zu untersuchen. Cranston blätterte in dem Buch. Erst hielt er
     es für ein kleines Stundenbuch, aber dann sah er die geschickt
     gezeichneten Illustrationen und schob es in seinen Ärmel. Jetzt
     kannte er Master Sturmeys dunkles Geheimnis.
    Clifford war aufgeregt über
     den Fund, den Cranston gemacht hatte, und konnte es kaum erwarten
     davonzueilen. Er überließ es Cranston und Athelstan, dem
     Lehrling und der Magd zu danken.
    Als sie das Haus verlassen
     hatten, zeigte Cranston dem Bruder das Buch. Athelstan blätterte die
     feinporigen Pergamentseiten um und pfiff leise, als er die Bilder
     betrachtete, die ein geschickter Künstler gemalt hatte. Knaben und
     junge Männer, nackt, wie sie zur Welt gekommen waren, in vielfältigen
     Posen. Manche kämpften mit Schwertern, eine Gruppe räkelte sich
     auf Brokatpolstern, und zwei übten sich im Speerwerfen. Andere Bilder
     waren gewagter: junge Männer, die einander wuschen oder Umarmungen
     und Küsse austauschten.
    »Meister Sturmey hatte
     in der Tat ein Geheimnis«, flüsterte Athelstan. »Ein
     solches Buch könnte einen Mann auf den Scheiterhaufen bringen.«
    Cranston tippte sich an die
     Nase.
    »Ich wußte, daß
     ich's hatte. Komm, Athelstan.«
    Er marschierte zurück
     zur Cheapside, und der Bruder mußte traben, um mit dem unerwartet
     eiligen Coroner Schritt zu halten. Aber wenige Schritte vor dem Haus des
     Coroner hielt Leif, der Bettler, sie auf.
    »Seid auf der Hut, Sir
     John!« raunte er dramatisch. »Seid auf der Hut!«
    »Was redest du da, du
     alberner Kerl?«
    »Lady Maude ist wieder
     da.«
    Cranstons Unterkiefer klappte
     herunter. »Dann ist sie vor der Zeit zurückgekommen«, flüsterte
     er. »Oh mein Gott, sie wird die verdammten Hunde sehen!«
    »Sie ist in ganz
     seltsamer Stimmung«, erklärte Leif mit düsterer Miene; er
     hatte Mühe, seine Schadenfreude zu verbergen.
    »Domina Maude ist immer
     in ganz seltsamer

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