Der Zorn Gottes
Stimmung«, knurrte Cranston und spähte sehnsüchtig
über die Cheapside zum »Heiligen Lamm Gottes« hinüber.
»Oh nein, Sir John!«
warnte Leif, dem das alles großen Spaß machte. »Lady
Maude bestand mit Nachdruck darauf, daß ich vor dem ›Heiligen
Lamm Gottes‹ Wache stehen und Euch auf der Stelle nach Hause
schicken soll.«
Elf
Athelstan bekam Mitleid, denn
aller Lebensmut schien den alten Cranston verlassen zu haben. Der Coroner
stand da und kratzte sich den kahlen Schädel wie ein kleiner Junge,
der beim Apfelstehlen ertappt worden war.
»Kommt, Sir John«,
flüsterte Athelstan. »Ich bleibe bei Euch. Lady Maude wird es
kaum wagen, die Hand gegen die Heilige Mutter Kirche zu erheben.«
»Domina Maude würde
selbst Gott herausfordern, wenn sie ihre Sache für gerecht hält.«
Cranston blinzelte, holte
tief Luft, schob Leif beiseite und schlich sich wie ein Verurteilter ins
Haus. In der Tür blieb er stehen, nahm noch einmal einen großzügigen
Schluck, dann hob er den Finger an die Lippen, ging auf Zehenspitzen durch
den Hausflur und spähte in die Küche.
»Stillgesessen!«
Lady Maude stand am Tisch. Gog und Magog saßen vor ihr wie zwei
Statuen. Domina Maude war in vollem Schwung und hielt den beiden Hunden
eine kernige Rede über die Regeln in diesem Hause. Athelstan schaute
dem Coroner über die Schulter und sah, daß die beiden Hunden
ebenso viel Angst vor Lady Maude hatten wie ihr neugefundener Herr. Hinter
den Hunden stand ein stocksteifer Boscombe und nickte ab und zu beifällig
zu dem, was Lady Maude sagte.
Cranston hüstelte und
betrat die Küche. Lady Maude drehte sich um. Sie war kaum
mehr als fünf Fuß groß, und Athelstan hatte noch nie
zuvor eine Frau gesehen, die doppelt so groß wirken konnte, wie sie
tatsächlich war.
»Sir John!« rief
sie honigsüß. »Ich bin schon früher nach Hause
gekommen!«
Zögernd ging Cranston
auf sie zu und umklammerte seine Bibermütze.
»Liebes Weib«,
stammelte er, »du bist mir überaus willkommen. Und die
Kerlchen?«
»Sind oben bei ihrer
Amme und schlafen tief und fest. Nein, Sir John« - Cranston hatte
sich umgedreht —, »du wirst sie in Ruhe lassen.« Sie
trat vor. »Ich habe beschlossen, zurückzukommen, weil du mir
gefehlt hast.« Sie lächelte. »Und ich habe eine gute
Nachricht. Mein Bruder Ralph, seine Frau und seine Kinder kommen
vielleicht nach St. Michaelis zu uns.«
Cranston wagte nicht, sein
starres Lächeln aufzugeben.
»Oh, Rattenscheiße!«
hauchte er.
Lady Maude kam noch näher.
Sie erhob sich auf die Zehenspitzen und gab ihrem Mann einen Kuß auf
jede Wange; dann wandte sie sich Athelstan zu und gab ihm die Hand. Der
Bruder sah das Lächeln im Blick der kleinen Frau.
»Sir John hat sich gut
benommen, Bruder?«
»Wie ein
rechtschaffener Mann, Lady Maude.«
Ihr Lächeln wurde
breiter, als sie den sanften Sarkasmus in Athelstans Stimme hörte.
Cranston stand stocksteif da und starrte erst Gog und Magog, dann Boscombe
an. Die Hunde beachteten ihn nicht; sie starrten Lady Maude unverwandt an,
aber Boscombe erwiderte seinen Blick mit glasigen Augen.
»Du hast unsere Gäste
kennengelernt, Lady Maude?« fragte Cranston.
»Gäste!«
rief seine Frau. »Sir John, sie gehören zur Familie. Master
Boscombe ist ein seltenes Juwel.«
»Und die Hunde?«
»Sie wissen jetzt, wo
ihr Platz ist, wie das jeder in diesem Hause wissen sollte.«
Cranston stand noch
kerzengerader, als er den warnenden Unterton in den Worten seiner Frau hörte.
Maude ergriff unvermittelt seine Hand.
»Du bist ein guter und
großzügiger Mann«, sagte sie leise. »Ich wäre
böse geworden, wenn du anders gehandelt hättest. Wie könnte
man einen Mann wie Boscombe auf die Straße werfen und zwei so schöne
Geschöpfe Gottes grausam vernichten? Ich mag den Lord Regenten nicht,
und Boscombe hat mir von der Sache im Rathaus berichtet.«
Cranston warf ihm einen
schnellen Blick zu. Der Diener hatte geschworen, über den Überfall
in der Gasse zu schweigen. Boscombe, der immer noch glasig blickte, schüttelte
kaum merklich den Kopf. Cranston entspannte sich, als er sah, woher der
Wind wehte; er zog den Mantel aus, warf ihn über den Tisch und
umarmte seine Frau wie ein Bär.
Das war das Signal: Nun brach
das Chaos aus. Die Hunde fingen an zu heulen, Boscombe wurde fürsorglich.
Lady Maude bestand darauf, daß Cranston sich
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