Der Zorn Gottes
mit dem Erpresser.« Cranston
spreizte die Hände. »Den Rest kennt Ihr. Der Erpresser hatte
nicht vor, Sturmey reden zu lassen. Der Schlosser hatte seine Schuldigkeit
getan und wurde brutal ermordet. Den Namen des Mörders kennen wir
nicht, und wir wissen auch noch nicht, wie er Sturmey erstechen und den
Leichnam in den Fluß werfen konnte.«
»Und?« quiekte
Marshall. »Was hat das mit uns zu tun, Sir John?«
»Nun, Ihr alle wißt
von dem Skandal, der in Sturmeys Vergangenheit lauert. Auf Euren Wunsch
hin wurde er beauftragt, die Truhe zu bauen, die Schlösser
anzufertigen und …«
»Und was?«
zischte Sudbury und beugte sich vor, »Wollt Ihr damit sagen, Sir
John, daß einer oder mehrere von uns oder wir alle etwas mit Verrat,
Erpressung und Mord zu tun haben?«
Cranston lächelte
falsch. »Sir, das habe ich nicht gesagt. Ich beschreibe lediglich
die Tatsachen. Aber nachdem Ihr die Sache nun zur Sprache gebracht habt,
will ich Euch doch fragen: War einer von Euch an dem Tag, als Sturmey
starb, in Billingsgate? Oder hat einer von Euch ihn heimlich besucht?«
Ein Chor trotziger
Verneinungen beantwortete Cranstons Fragen. Trotzdem sahen die Gildeherren
so erleichtert aus, daß Athelstan den Verdacht bekam, sie könnten
eine Menge zu verbergen haben. Goodman machte ein betretenes Gesicht.
Schließlich, dachte Athelstan, hatte er Sturmeys Vergangenheit
gekannt und sich trotzdem den übrigen angeschlossen und den toten
Schlosser für diesen Auftrag ausgewählt.
»Andere wußten
auch davon«, begehrte Denny auf. »Wieso fragt Ihr nur uns?«
»Wer wußte es
denn sonst noch?« versetzte Cranston. »Seine Gnaden, der König,
war noch nicht geboren, der Lord Regent war ein Knabe, und der Rat dürfte
sich angesichts eines solchen Skandals die Ohren zugehalten haben. Ich
habe ein Protokoll der Ermittlungen, und ich glaube nicht, daß noch
weitere Abschriften davon existieren. Also bitte, sagt mir, wer wußte
sonst noch davon?« Cranston zuckte die Achseln. »Vielleicht wußten
andere Bescheid, aber sie sind keine mächtigen Gildeherren, und keine
Zeugen von Verrat, Schatzdiebstahl und dem Mord an einem ihrer Kollegen,
von der heimtückischen Ermordung eines Londoner Sheriffs ganz zu
schweigen.« Cranston schob seinen Stuhl zurück und stand auf.
»Aber ich sage Euch, Ihr Herren, der alte John Cranston wird die
Wahrheit ausgraben, und die Gerechtigkeit wird ihren Lauf nehmen.«
Als sie das Rathaus verlassen
hatten, klatschte er entzückt in die Hände.
»Die Mistkerle haben
Angst«, prustete er. »Oh Gott, Bruder, man kann ihre Angst
geradezu riechen.«
»Was ist«, fragte
Athelstan, »wenn diese Morde mehr mit lange zurückliegenden
Verbrechen zu tun haben als mit dem Ehrgeiz des Regenten oder den
finsteren Plänen eines Ira Dei?«
Cranston schüttelte den
Kopf. »Nein, Athelstan, diese Leute sind machtgierig. Sie stecken
bis zum Hals im Laster. Korruption ist ihnen zur zweiten Natur geworden.
Alte Sünden spielen hier eine Rolle, aber nur als Mittel, nicht als
Ursache. Denke an meine Worte.« Cranston grinste. »Ich habe
den Apfelbaum geschüttelt. Weiß der Himmel, was nun
herunterfallen wird.«
Der Coroner schaute auf den
Markt. »Wir wollen die Sache jetzt auf sich beruhen lassen«,
meinte er. »Morgen ist Samstag, und ich muß ein wenig mit Lady
Maude tändeln. Du hast mein Manuskript?«
Athelstan nickte.
»Behalte es. Studiere
es aufmerksam, Bruder.«
Athelstan versprach es. Sir
Johns Abschiedsgrüße dröhnten ihm noch in den Ohren, als
er durch die Mercery und über die London Bridge zurück nach
Southwark wanderte.
Benedicta erwartete ihn im
Pfarrhaus. Sie sah ein wenig bedrückt aus.
»Ich habe das Mädchen
Elizabeth und ihre Pflegerin Anna zu den Minoritinnen gebracht. Die
Schwestern waren gut und freundlich und halten die beiden für
hysterisch. Elizabeth bezeichnet ihren Vater und ihre Stiefmutter als Mörder;
sie behauptet, die Wahrheit sei ihr von ihrer Mutter im Traum offenbart
worden. Pater, was wird mit ihnen passieren?«
Athelstan ließ sich müde
auf einen Schemel fallen und schüttelte den Kopf.
»Benedicta, ich weiß
es nicht. Ich danke dir für das, was du getan hast, aber was die
Zukunft birgt, weiß nur Gott.«
Sie ging in die Speisekammer
und kam mit einem Krug Ale zurück. »Ihr seht müde aus.«
Sie drückte ihm den Krug in die Hände. »Kommt«,
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