Der Zorn Gottes
du mitkommen?«
Die Frau nickte.
»Was ist denn los,
Bruder?« fragte Cranston neugierig.
Athelstan grinste. »Nichts
weiter, Sir John. Aber der Mörder könnte an einer Zuckerpflaume
klebenbleiben.«
Er ließ sich kein
weiteres Wort entlocken. Murrend ging Cranston mit ihnen durch die
Cheapside zum Rathaus und über Gänge und Höfe in den
kleinen Garten, wo Mountjoy erstochen worden war. Ein aufgeblasener
Beamter wollte sie aufhalten, ergriff aber die Flucht, als Cranston ihn
anknurrte. Benedicta schaute sich um, bestaunte den bronzenen Falken auf
dem Springbrunnen und das klare Wasser, das aus Leopardenmäulern in
den kleinen, von Lilien und anderen Wildblumen gesäumten Kanal strömte.
Sie huschte durch den Laubengang aus dünnen, mit Weidenschnüren
zusammengeflochtenen Stangen und bewunderte die Weinranken und Rosen, die
sich um sie rankten. Als sie herauskam, war ihr Gesicht ganz rot vor
Aufregung.
»Das ist wunderschön!«
rief sie.
Athelstan deutete auf die
kleine, umfriedete Laube. »Der Schauplatz des Mordes«, sagte
er nüchtern. »Dort wurde Mountjoy umgebracht.«
Sie blieben am Zaun stehen.
Wieder fragte sich Athelstan, wie der Mörder an den wilden Hunden
vorbei zu Sir Gerard hatte vordringen können.
»Kommt, Sir John, laßt
uns ein Maskenspiel veranstalten.«
Athelstan zog den Coroner am
Ärmel, öffnete das kleine Tor und führte ihn in den Garten.
»Setzt Euch auf die Rasenbank.« Er grinste. »Benedicta,
du mußt so tun, als seist du ein Wolfshund.«
Beide grinsten und zuckten
die Achseln, taten aber, was Athelstan wollte. Cranston ließ sich
auf die Rasenbank fallen und nahm einen großen Schluck aus seinem
Weinschlauch.
»So«, flüsterte
Athelstan. »Sir Gerard sonnt sich mit seinen Hunden im Garten.
Irgendwann an diesem Nachmittag wird er erstochen. Die Klinge wird tief in
den Körper gestoßen; dennoch leistet er keinen Widerstand, und
auch die wilden Hunde versuchen nicht, ihn zu verteidigen.«
Athelstan ging zurück zum Gartentor und deutete auf die Ziegelmauer
des Rathauses, die den Garten zur einen Seite begrenzte. »Von dort
konnte ein Mörder nicht kommen.« Er drehte sich um. »Über
den Zaun hinter Sir Gerard konnte er kaum klettern, denn der Sheriff und
seine Hunde hätten ihn sofort bemerkt. Auch durch das Tor konnte er
mit gezücktem Dolch nicht hereinkommen.«
»Und wenn doch?«
fragte Benedicta. »Wenn es ein Freund war, den die Hunde gewähren
ließen, weil ihr Herr ihn herzlich begrüßte?«
»Mountjoy hatte keine
Freunde«, knurrte Cranston.
»Nein.« Benedicta
wedelte mit den Händen. »Der Mörder kommt ganz dicht
heran, zieht erst dann seinen Dolch und stößt ihn Sir Gerard in
die Brust.«
Athelstan schüttelte den
Kopf. »Möglich ist es«, sagte er, »aber kaum
wahrscheinlich. Sir Gerard hätte zumindest gesehen, wie der Dolch
gezogen wurde; der Mörder dürfte ihn kaum in der Hand gehabt
haben, als er den Garten betrat. Es wäre zu einem Kampf gekommen, und
die Hunde wären alarmiert worden. Vergiß nicht, Sir Gerard
wurde ermordet, ohne daß es die Spuren eines Kampfes gegeben hätte.«
Benedicta streckte ihm die
Zunge heraus.
»Es gibt nur eine Möglichkeit«,
brummte Cranston und deutete auf die Zaunpfähle am unteren Ende des
Gartens. »Der überdachte Gang zwischen der Küche und dem
Rathaus.«
»Da sind Lücken im
Zaun«, fügte Benedicta hinzu.
Athelstan schüttelte den
Kopf. »Zu schmal, um einen Dolch mit solcher Wucht und Genauigkeit
hindurchzuwerfen. Paßt auf und wartet hier.« Er nahm Cranstons
Dolch, der dem des Mörders ziemlich ähnlich war, ging zurück
ins Rathaus den dunkel überdachten Gang hinunter. Er blieb stehen,
und durch Lücken im Zaun sah er Cranston gegenüber auf der Rasenbank sitzen. Er schob den
Dolch durch die Lücke, sie war breit genug, aber er hatte recht:
Niemand konnte einen Dolch hindurchwerfen. Athelstan kratzte sich am Kopf
und kehrte zurück in den Garten. »Ein Rätsel«,
murmelte er. »Kommt, laßt uns in den Bankettsaal gehen.«
Cranston sah Benedicta an und
zog eine Grimasse, aber er folgte dem nachdenklichen Ordensbruder in den
Bankettsaal. Der Raum lag verlassen da, und die Tische standen noch so wie
an jenem schicksalhaften Abend. Athelstan löcherte Cranston mit
Fragen.
Wer hatte wo gesessen? Was
hatten sie gegessen? Wie spät hatte es angefangen?
Dann spazierte er
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