Der Zorn Gottes
sagte sie, »trinkt, und eßt auch etwas. Wollt Ihr Brot und ein
wenig Dörrfleisch? Ich werde soviel vorbereiten, daß es für
uns beide reicht.«
Verlegen ob ihrer Fürsorglichkeit,
murmelte Athelstan seinen Dank und blieb sitzen; er starrte in die matten
Flammen. Benedicta machte sich in der Küche zu schaffen und deckte
den Tisch. Dabei erging sich die Witwe absichtlich in einer
Litanei von Klatschgeschichten über die Pfarrgemeinde, um Athelstan
von dem abzulenken, was er so treffend als sein »Meer von Sorgen«
beschrieben hatte. Während des Essens versuchte er, ihr zu antworten,
aber er war müde, und sein Kopf brummte von allem, was er an diesem
Tag gesehen und gehört hatte. Benedicta verabschiedete sich; sie
werde morgen zur Messe wiederkommen. Athelstan sah ihr nach; dann ließ
er den Kopf auf die Arme sinken und schlief ein.
Als er aufwachte, war es
dunkel. Er fror und war verkrampft, und so fachte er das Feuer wieder an.
Er wollte gerade in die Speisekammer gehen, als ein leises Klopfen ihn
zusammenzucken ließ.
»Wer ist da?«
rief er. Als er keine Antwort bekam, holte er seinen Knüppel aus der
Ecke und legte die Hand auf den Türriegel. »Wer ist da?«
wiederholte er und versuchte, seine Bangigkeit zu unterdrücken. Er
spitzte die Ohren, hörte aber nur das leise Rauschen der Bäume
auf dem Friedhof und den gespenstischen Ruf einer Eule. Er öffnete
die Tür und spähte ins Dunkel hinaus. Als er hinaustreten
wollte, stieß sein Fuß gegen etwas. Er bückte sich und
hob einen kleinen Laib Brot auf, an dem ein Fetzen Pergament hing.
Athelstan sah sich noch einmal um, schloß die Tür von innen und
verriegelte sie wieder; er zündete die Kerze an und las, was auf das
Pergament gekritzelt war.
»Ziehst du dir zu den
Zorn Gottes, so wirst du dir zuziehen das Brot der Bitternis.«
Athelstan nahm den kleinen
Brotlaib in die Hand und schnupperte vorsichtig daran. Er sah das Salz,
das daraufgestreut war, und roch den bitteren Duft eines zerstoßenen
Krauts. Er las noch einmal, was auf dem Pergament stand, dann warf er
Blatt und Brot ins Feuer. »Das Brot der Bitternis«, murmelte
er, und das treffende Zitat aus dem alten Testament ließ ihn leise lächeln.
Eine Zeitlang saß er da und starrte in die Kerzenflamme. Ira Dei
hatte ihm geantwortet, hatte ihn verspottet, weil er wußte, daß
Athelstan nur auf Geheiß seines Feindes John von Gaunt mit ihm
Verbindung aufnehmen wollte. Der Ordensbruder dachte an die Konfrontation
zwischen Cranston und den Gildemeistern, die er an diesem Tag miterlebt
hatte. Wahrscheinlich hoffte der Coroner, daß er Ira Dei mit seinen
Worten zu einem dummen Fehler verleiten könnte.
Athelstan rieb sich die
Augen. »Naja«, brummte er, »Cranston und ich haben jetzt
seine Antwort.« Und müde stieg er die Treppe zu seiner kleinen
Schlafkammer hinauf.
Zwölf
Athelstan erwachte am nächsten
Morgen frisch und mit neuen Kräften. Er wusch und rasierte sich,
wechselte die Kutte, fütterte Bonaventura und frühstückte
rasch. Dann ging er hinüber in die Kirche, um das Requiem für
die Mutter der Schweinehirtin Ursula zu lesen.
Benedicta erwartete ihn am
Lettner, als er aus der Sakristei kam.
»Was gibt's, Benedicta?«
»Es tut mir leid, Euch
zu stören, Pater, aber ich habe eine Nachricht von den Minoritinnen
erhalten. Ihr sollt hinkommen. Elizabeth Hobden hat letzte Nacht versucht,
sich aufzuhängen.«
Athelstan schluckte einen
Fluch herunter; er wolle nur die Kirche abschließen, sagte er, und
werde in einer halben Stunde auf den Stufen von St. Mary Overy auf sie
warten. Rasch vergewisserte er sich, daß alles sicher verschlossen
war, schüttete dem schnarchenden Philomel Hafer und Heu hin und eilte
dann hinunter zu Benedicta.
»Was enthielt die
Nachricht sonst noch?« fragte er atemlos, als sie zur London Bridge
eilten.
»Nichts, Pater.
Anscheinend wiederholte das Mädchen unentwegt dieselbe Geschichte. Spät
nachts hörte eine Schwester dann ein Krachen aus ihrer Zelle, und als
sie nachschaute, sah sie, daß das Mädchen versucht hatte, sich
mit ihrem Bettlaken zu erhängen.«
Unter dem Tor zur London
Bridge blieb Athelstan stehen und schaute hinauf zu den abgeschlagenen
Verräterköpfen, die dort aufgespießt waren. Benedicta
folgte seinem Blick.
»Pater, was um alles in
der Welt… ?«
Athelstan zuckte die Achseln.
»Ich
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