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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes
Autoren: Paul Harding
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ohne
     weitere Erklärungen davon, sagte nur, er wolle mit dem Truchseß
     sprechen, der an jenem Abend anwesend war.
    Cranston hatte nichts
     dagegen. Er wußte, sein »kleiner Bruder« war einem Hasen
     auf der Spur und würde sich solange in das Problem vertiefen, bis er
     eine Lösung gefunden hätte. Außerdem war der Coroner nur
     zu gern bereit, sich hinzusetzen und mit der reizenden Benedicta zu
     schwatzen, die ihn eingehend nach Athelstans Geschichte von einem Dieb
     befragte, der die abgeschlagenen Verräterköpfe vom Torhaus an
     der London Bridge stahl. Schließlich kam Athelstan zurück.
    »Nun?« fragte
     Cranston. »Hast du was gefunden? Hattest du Lust, deine Einsichten
     mit gewöhnlichen Sterblichen zu teilen?«
    Athelstan grinste und tippte
     sich an die Schläfe. »Es ist noch alles durcheinander«,
     erklärte er. »Ich muß mich hinsetzen, alles aufschreiben
     und nachdenken.«
    »Dazu gibt es keinen
     besseren Ort als das ›Heilige Lamm Gottes‹«, meinte
     Cranston.
    Er führte sie zum
     Rathaus hinaus und auf einen geschäftigen Marktplatz. Die Stände
     waren inzwischen aufgebaut, und das Tagesgeschäft konnte beginnen.
     Lehrlinge priesen lautstark ihre Waren an, riefen Preise, und versuchten
     ab und zu, Vorübergehende am Ärmel festzuhalten. An der Straßenecke
     stand Cranstons verhaßter Reliquienhändler und sang die Litanei
     dessen, was er zu verkaufen hatte. Der Coroner blieb stehen, als der Kerl
     Reliquien aufzählte, vom Stein, mit dem Goliath erschlagen worden
     war, bis zum Arm des Hl. Sebbi.
    »Ich habe diese
     Reliquien«, schrie der Mann, »an einem geheimen Ort, und ich
     habe sie zu einem besonders hohen Preis vom Erzbischof von Köln
     gekauft. Der Kopf des Täufers Johannes, wunderbar frisch, ganz wie an
     dem Tag, da der große Märtyrer starb. Ich sage Euch, Ihr Damen
     und Herren, Ihr frommen Bürger von London, sein Haar ist rot und
     weich, seine Haut so glatt wie die eines Kindes.«
    Cranston grinste verächtlich
     und schüttelte den Kopf.
    »Warum macht ihr
     verdammten Pfaffen diesem dummen Gewerbe kein Ende?« knurrte er.
    »Ich frage mich, woher
     er die Haare des Täufers Johannes haben mag«, sagte Benedicta.
    Cranston glotzte sie an.
     »Was hast du gesagt?« flüsterte er.
    »Wie kommt er an den
     Kopf von Johannes dem Täufer? Und woher weiß er, daß der
     Prophet rote Haare hatte?«
    Cranston packte die überraschte
     Frau und küßte sie auf beide Wangen.
    »Kommt!« flüsterte
     er. »Zum ›Heiligen Lamm Gottes‹!«
    Der Coroner drängte sich
     durch das Gewimmel. An der Art, wie er die Leute anbrüllte, ihm Platz
     zu machen, sah Athelstan, wie aufgeregt er war. Als sie in der Schenke
     angekommen waren, wühlte er in seiner breiten Börse und holte
     eine Silbermünze heraus.
    »Benedicta, geh damit
     zu dem Reliquienhändler. Sag ihm, du hast noch fünf davon und
     willst den Kopf von Johannes dem Täufer kaufen.«
    »Oh, um Himmels willen,
     Sir John!« warf Athelstan ein. »Ihr wißt doch, daß
     der Mann ein Betrüger ist. Es wird keinen Kopf geben, nur irgendeine
     dumme Taschenspielerei oder Täuschung. Wer weiß, vielleicht
     wird Benedicta sogar ausgeraubt?«
    »Still, Athelstan!«
    »Aber Sir John!«
     flehte Athelstan. »Ihr wißt es, und ich weiß es.«
    »Was wissen wir?«
     schnappte Cranston.
    »Er kann den Kopf des Täufers
     nicht haben …« Athelstan sprach nicht weiter. Er grinste
     Cranston an. »Ah! Um den Hl. Paulus zu zitieren, Mylord Coroner, ich
     sehe wie durch einen dunklen Spiegel.«
    Cranston klatschte in die Hände
     wie ein Kind, und Benedicta, der die Versicherungen der beiden Männer
     in den Ohren klangen, ging, Cranstons Silber fest in der Hand, zurück
     über die Cheapside. Athelstan und Cranston sahen ihr nach. Benedicta
     blieb bei dem Reliquienhändler stehen, flüsterte ihm etwas zu,
     und der Mann hüpfte flink wie eine hungrige Möwe von seinem
     Stand herunter. Er führte sie durch eine Gasse davon, und Athelstan
     und Cranston folgten den beiden eilig. Cranston war aufgeregt, und
     Athelstan fürchtete für Benedictas Sicherheit, aber der Mann
     schien harmlos zu sein. Endlich bog er in eine Gasse ein, die zur Old
     Jewry hinunterführte. Vor einer Haustür blieb er stehen und
     sagte etwas zu Benedicta; sie nickte, und beide gingen hinein. Cranston
     und Athelstan eilten ihnen nach.     
    »Laß dem Mistkerl
     ein bißchen Zeit«, raunte Cranston.
    Athelstan nickte. Cranston zählte
     leise,
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