Der Zuckerkreml
gar kein Papier … nur Bücher … Ich bewahre kein Schreibpapier auf …«
»Du bist ein Langweiler, weißt du das?«, seufzte
Sewastjanow; es klang beleidigt.
»Foltern Sie mich nicht … Ich hab doch nichts getan …«
»Foltern? Das hat keiner mit dir vor. Meinst du, ich
schnalle dich auf den Bock und peitsche dir mit dem Ochsenziemer die Eier? Da irrst
du gewaltig, Smirnow. So was tun bei uns höchstens die Opritschniki. Das ist bei
denen Sitte, da kann man nichts machen. Sie sorgen öffentlich für Schuld und Sühne,
um den Staatsfeinden Angst einzujagen, das ist ihr Amt, von daher schlagen sie gerne
mal über die Stränge. Wir Geheimdienstler sind kultivierte Menschen. Klötenfitschen,
das ist nicht unser Fach.«
»Ich war’s nicht … Das hat mir wer angehängt«, murmelte
Smirnow.
»Na klar. Jetzt sag bloß noch: der Feind!«, sagte der
Untersuchungsrichter und gähnte.
»Angehängt … untergeschoben …«
»Und du hast es vor lauter Schreck weiterverbreitet, ja?«
»Ich hab nichts getan … Ich weiß nichts darüber …«
»Schluss mit dem Theater, Dummkopf.«
Mit einer schroffen Bewegung riss Sewastjanow Smirnows
Kopf nach hinten, setzte das Injektionsgerät an die Halsschlagader und zog ab. Die
kleine weiche Ampulle platzte, die Injektion gelangte in die Blutbahn des
Gefangenen. Der Körper bäumte sich auf, Smirnow stieß einen kurzen Schrei aus und
erstarrte. Seine großen grauen Augen weiteten sich noch mehr, wurden rund und
gläsern. Der Mund klappte auf und blieb offen wie in stummer Frage. Man hätte denken
können, er wäre von einem Riesenskorpion gebissen worden. Die magere Gestalt in
ihrer angespannten Haltung wurde von einem Schüttelfrost ergriffen. Sewastjanow ließ
den Haarschopf los und ging zum Tisch, wo er das Gerät in den Koffer zurücklegte. Er
nahm sich eine Zigarette und rauchte.
Sein Faustkeil gab einen leisen, tremolierenden Piepton
von sich.
»Hauptmann Sewastjanow, ich höre«, sagte der
Untersuchungsrichter und legte die Zigarette im Aschenbecher ab.
Oberhalb des Faustkeils erschien Oberst Samochwalows
Konterfei.
»Grüß dich, Nikolai.«
»Wünsche Gesundheit, Genosse Oberst.«
»Ah, ich sehe, du arbeitest«, sagte der Oberst mit einem
Blick in den Raum hinein. »Dann will ich nicht stören.«
»Sie stören nicht, Genosse Oberst.«
»Ich möchte, dass du Schmulewitsch ein bisschen unter die
Arme greifst bei der Sache mit der Kuh. Er hat sich da zu tief hineinverstrickt, es
gibt keine Fortschritte, die einen hoffen ließen.«
»Wie Sie befehlen«, sagte Sewastjanow lächelnd. »Das
kriegen wir hin.«
»Nimm dich der Sache an, Kolja. Sonst steht Archipow bei mir auf
der Matte als wie der Häscher von Hunan. Drei Wochen Fehlanzeige, kriegst die
Motten! Wirf ein Auge drauf. Die Order kommt nach.«
»Zu Befehl, Genosse Oberst.«
»Dann mach’s mal gut.« Samochwalow verabschiedete sich mit
einem müden Zwinkern und löste sich in Luft auf.
Der Hauptmann nahm die Zigarette wieder auf, tat einen
tiefen Zug und ließ den Blick auf dem erstarrten Untersuchungsgefangenen ruhen. Dann
entnahm er der »Gans« ein Hämmerchen, mit dem er spielte, bis die Zigarette zu Ende
geraucht war. Er drückte sie aus und trat vor den Gefangenen hin. Strich sich über
den Schnauzbart.
»Na, Smirnow, wie geht’s uns denn jetzt?«
»Ich … ich … ich …«, drang es zwischen den fahlen Lippen
hervor.
»Hast du schon gemerkt, dass du jetzt aus Glas bist?«
»Ich … ah … ich …«
»Du bist aus Glas, Smirnow. Da schau her!«
Der Hauptmann schlug sein Hämmerchen leicht gegen die
Schulter des Gefangenen.
Das erzeugte einen feinen, hellen Ton, wie gegen Glas. Als
Nächstes schlug der Hauptmann das Hämmerchen gegen Smirnows Knie. Wieder klang es
hell. Der Hauptmann pochte ans andere Knie. Dann gegen den Arm. Dann gegen die
bleiche, schweißige Nase des Untersuchungsgefangenen.
Das Hämmerchen tönte.
Die Augen des Untersuchungsgefangenen füllten sich
randvoll mit Entsetzen. Der Tremor verließ ihn, er erstarrte vollends, atemlos.
»Wie eine kostbare Vase!«, lachte Sewastjanow, dem
Untersuchungsgefangenen in die irre werdenden Augenstarrend. »Ein
kristallener Ganter! Alles an dir ist aus Glas: Arme, Beine, Eingeweide. Leber,
Nieren, Milz – glasklares Glas. Selbst der Dickdarm klirrt. Und die Eier klingen wie
die Glocken von Waldai! Was bist du für ein erstaunlicher Mensch,
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