Der Zuckerkreml
tun?«
»Stahlkochen: Kohle in den Hochofen laden, das Feuer überwachen, die
Schlacke durchstoßen, den Flüssigstahl aus dem Ofen leiten.«
»Ach nein, das ist nichts für mich. Ich tät doch gern was Leichteres
finden, was Sauberes und Angenehmeres.«
»Na, dann mach’s gut, Schürhaken.«
»Mach’s gut, Mensch.«
Der Schürhaken ging seiner Wege. Da sah er einen Major aus der Geheimen
Kanzlei auf sich zukommen.
»Grüß dich, Schürhaken.«
»Grüß dich, Mensch.«
»Wohin des Weges?«
»Ich bin auf Arbeitssuche.«
»Dann komm doch zu mir.«
»Was muss ich bei dir tun?«
»Volksfeinde foltern: ihnen die Fußsohlen beizen, die Klöten
sengen, das Brandmal des Staates auf den Arsch stempeln. Eine saubere Arbeit, nicht
schwer und lustig obendrein.«
Der Schürhaken überlegte ein Weilchen, dann schlug er ein. Und ist
seither der Geheimen Kanzlei zu Diensten.
Der Untersuchungsrichter schloss die Akte und entfernte
das Bild, zog sich eine Zigarette aus der Schachtel, entzündete sie.
»Ein nettes Volksmärchen ist das. Kommt es Ihnen bekannt
vor?«
Der Untersuchungsgefangene schüttelte den Kopf.
»Nanu, warum erröten wir denn so hübsch, Herr Smirnow, he?
Andere werden blass bei so einer Frage, Sie werden rot wie ein kleines Kind … So
benimmt sich eben jeder ein bisschen anders beim Lügen. Lediglich die Profis werden
weder rot noch blass, alldieweil sie ein staatstragendes Werk verrichten. Sie
dagegen sind bloß ein Amateur. Und drehen Ihr feindliches, klammheimliches,
abgefeimtes Ding. Stiften Schaden. Während Ihr Seelchen, nach Gottes Ebenbild
geschaffen, sich dagegen sträubt, Schaden zu stiften, denn es ist ja nicht nur der
Russländische Staat, dem Sie das Wasser abgraben, Sie ruinieren dabei auch Ihre
eigene, irrende Seele. Und darum färben Ihre zarten Wangen sich rot.«
»Das ist nicht von mir«, murmelte Smirnow.
»Und ob das von dir ist! Du fabriziertest es nicht nur,
dies stinkende Gift voll sprudelnder Häme, du ließest es auch noch umgehen nach
allen Winden«, versetzte der Untersuchungsrichter und klappte die »goldene Gans«
auf.
»Das war nicht ich«, wiederholte Smirnow, zu Boden blickend, und
hob die Schultern. »Ich nicht.«
»Natürlich warst du’s. Und geschrieben hast du’s auf die
altmodische Art, auf Papier, nicht in die Tasten gehauen. Das war schlau: Hättest du
dergleichen ins Netz gestellt, wir hätten dich im nächsten Moment am Schlafittchen
gehabt und zerdrückt wie eine Laus, die von Nissen prall ist. Aber nein, du hast
deine Hetzschrift auf Papier gekritzelt. Um die Spuren zu verwischen. Nur dass wir«,
bei diesen Worten entnahm Sewastjanow der »goldenen Gans« ein nadelloses
Injektionsgerät, »nun mal alte Hasen sind im Fährtensuchen. Da sind wir schon ganz
anderen auf die Schliche gekommen. Was tut ein Jagdhund, wenn er das Wild wittert?
Er rast los, wie ein Pfeil schießt er in die Höhle hinein. So sieht’s aus, Sokolow –
ach nein, Smirnow …«
Der Untersuchungsrichter setzte eine Ampulle in das Gerät
ein und trat vor den Untersuchungsgefangenen. Der ward sichtlich unruhig: Die
mageren Knie zuckten, wurden zusammengepresst, während sich der Lockenkopf noch
tiefer zwischen die Schultern zog.
»Ich war es nicht, ich hab nichts getan«, murmelte Smirnow
und krümmte den Buckel noch mehr, sodass der Kopf zu den langen Beinen hinabfand.
»Klar hast du«, sagte Sewastjanow und packte mit der
Linken den Gefangenen bei den Haaren. »Aber was mich vor allem interessiert,
Smirnow: Wem hast du dein Märchen denn so zu lesen gegeben?«
»Das ist nicht mein Märchen«, kam es dumpf zwischen
Smirnows Knien hervor.
»Ich frage dich noch einmal: Wem gabst du dein Machwerk zu
lesen?«
»Niemandem!« Die Stimme des Untersuchungsgefangenen bebte.
»Ich hab’s nicht geschrieben …«
Sewastjanow blickte seufzend zur Decke mit der großen flachen
Mattglasleuchte.
»Pass mal auf. In fünf Minuten wirst du sowieso auspacken
und mir sämtliche Namen nennen. Aber ich gebe dir eine letzte Chance, wie sie in
Europa dazu sagen. Du nennst mir die Namen, und ich entlasse dich in deine Zelle,
und in die Akte kommt ein Vermerk über deine Bereitschaft zur Mitwirkung bei den
Ermittlungen. Das macht es leichter für dich und für mich. Was hältst du davon?«
Smirnows Schultern begannen zu vibrieren.
»Ich bin unschuldig … Das hat man mir untergeschoben … Ich
hab zu Hause
Weitere Kostenlose Bücher