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Der Zuckerkreml

Der Zuckerkreml

Titel: Der Zuckerkreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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Smirnow!«
    Der Untersuchungsgefangene saß reglos wie eine Wachsfigur
     im Museum.
    »Und nun haben wir noch ein extra Geschenk für dich.«
    Der Untersuchungsrichter kehrte zum Tisch zurück,
     klapperte auf den Tasten herum. In der Zelle erstand das überdeutliche,
     beeindruckend echt aussehende Hologramm eines Muskelmanns mit nacktem Oberkörper und
     einem schweren Hammer in Händen. Der Kerl schnaubte und brüllte, fletschte die Zähne
     und schwang drohend den Hammer.
    »Wanja, was meinst du«, sprach der Untersuchungsrichter
     ihn an und legte die Hand auf die mächtige Schulter des Schlägers. »Wollen wir
     diesen gläsernen Intellektuellen hier nicht in Scherben hauen? Damit er Russland
     keinen Schaden mehr zufügen kann?«
    »Auf geht’s!«, grinste der Schläger.
    »Äh-ah, nä-ä-äh … ich-ch …«, tönte es schwach aus dem Mund
     des Untersuchungsgefangenen.
    »Was denn, nicht?« fragte Sewastjanow, sich zu ihm
     hinunterbeugend.
    Doch da schwang Wanja schon brüllend den Hammer.
    »Nä-ä-ä-ächchh…«, röchelte Smirnow.
    Pfeifend beschrieb der Hammer einen Bogen und stoppte
     einen Zentimeter über dem Kopf des Untersuchungsgefangenen.
    »Die Namen! Spuck sie aus, du Ratte!«, zischte der
     Untersuchungsrichter, Smirnow beim Ohr packend. »Aber plötzlich!«
    »Rudenski … Popow … Chochlow … Chochlowa … Bo-…Bojko …«, kamen die
     Namen über die Lippen des Gefangenen gekollert.
    »Das reicht noch nicht! Weiter!«
    Der Schläger brüllte schon wieder, schwang sein Gerät. Und
     wieder kam der Hammer knapp über dem Kopf des schockstarren Gefangenen zum Stehen.
    »Mehr Namen! Los!«
    Der Untersuchungsrichter zerrte an Smirnows Ohr.
    »Gorbatschowski … Klo-… Klopin … Monachowa … Monachow …
     Bronstejn … Gold…stejn …«
    »Noch mehr!«
    »By…kow … Janko… Nikolajews … Tes…ler … Pawlowa … Gorskaja
     … Rochlin … Pinchasow … Dju-… Djukowa … Valerius … Bobrinskaja … Sumarokow … Klopin
     … Bronstejn … Goldstejn …«
    »Die hatten wir schon. Das genügt.«
    Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ der
     Untersuchungsrichter das Ohr des Untersuchungsgefangenen los. Ging zum Tisch, setzte
     sich, rauchte. Der Zigarettenrauch zog durch den unbeweglich dastehenden Wanja mit
     dem Hammer.
    »Danke, Wanja!«, sagte der Untersuchungsrichter mit einem
     Augenzwinkern.
    »Gern geschehen!«, lachte Wanja und verschwand.
    Smirnow saß immer noch in dieser absurden Haltung: nach
     vorne gekrümmt, mit zurückgeworfenem Kopf. Sewastjanow hämmerte die Namen, die
     gefallen waren, in die Tastatur; sie leuchteten orange auf, was bedeutete, dass sie
     dem Vorgang nunmehr anhafteten.
    »Immerhin etwas«, sagte der Untersuchungsrichter, während
     er die Akte auf den neuen Stand brachte.
    Er rauchte zu Ende, griff wieder nach dem Injektionsgerät
     im Koffer, schob eine neue Ampulle ein. Trat vor denUntersuchungsgefangenen und setzte ihm die Injektion in den Hals. Smirnows Körper
     erschlaffte, der Kopf fiel ihm auf die Knie. Während Sewastjanow eine neue Zigarette
     rauchte, kam der Untersuchungsgefangene zu sich.
    »Warum nicht gleich so«, sagte Sewastjanow, immer noch
     schreibend. »Alles in Butter, wie man so schön sagt.«
    Der Untersuchungsgefangene hob den Kopf.
    »Trinken …«
    »Kommt sofort«, nickte Sewastjanow und drückte einen
     Knopf.
    Der Wachsergeant kam herein.
    »Bringen Sie dem Untersuchungsgefangenen Wasser.«
    Der Wächter brachte eine Plastikflasche mit Altai -Quellwasser und einen Plastikbecher,
     stellte beides auf den Tisch und ging wieder. Sewastjanow schloss die Akte, goss
     Wasser in den Becher, ging zu Smirnow und setzte ihm den Becher an die trockenen
     Lippen. In drei gierigen Schlucken leerte der Untersuchungsgefangene den Becher.
    »Mehr?«
    Smirnow nickte. Der Untersuchungsrichter füllte den Becher
     ein zweites Mal. Smirnow trank ihn aus. Auch noch einen dritten. Die Flasche war
     leer, Sewastjanow warf sie in den Papierkorb. Den Becher hinterher. Dann schaute er
     auf die Uhr.
    »So«, sagte er und rieb sich mit den Händen die glatt
     rasierten Wangen. »Deine Gesinnungsgenossen hätten wir. Mit dem Wisch ist auch alles
     klar. Bleibt nur noch eine kleine Frage.«
    Smirnow richtete seine leeren grauen Augen auf ihn.
    Sewastjanow strich sich über den Schnauzbart.
    »Der Haken!«, sprach er und zwinkerte ihm zu.
    Smirnow glotzte blöd.
    »Vom Schürhaken rede ich.«
    Schroff, mit quietschenden Stiefelabsätzen drehte

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