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Der Zuckerkreml

Der Zuckerkreml

Titel: Der Zuckerkreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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Goldrubel.«
    Abrupt blieb Iwan stehen.
    Der Regisseur war aufgesprungen, nestelte in starker
     Erregung an seiner Brille, hob die geballte Faust.
    »Hundert goldene, Wanja!«, sprach der Amerikaner, ergriff Iwans
     Hand und legte den Beutel hinein.
    Iwan tat noch einen gierigen Zug und warf die Zigarette
     weg.
    »Was braucht ihr?«, fragte er mit belegter Stimme.
    Der Amerikaner fixierte ihn aufmerksam durch seine dunkle
     Brille.
    »Was wir brauchen, Wanja, ist die Geheimkombination, die
     Zugang zum internen Funkverkehr eurer Flugzeugtransporter mit den Atomsprengköpfen
     verschafft. Die diese merkwürdigen Manöver über der Nordgrenze eures Reiches
     fliegen.«
    Iwan ließ sich ins Gras fallen. Schüttelte heftig den
     Kopf.
    »Nein. Das tue ich nicht. Auf gar keinen Fall.«
    Der Amerikaner ließ ein leises Lachen hören, legte Iwan
     die Hand auf den Kopf und sprach, mit einem verschlagenen Blick in Richtung der
     untergehenden Sonne:
    »Du wirst. Und zwar genau so, wie ich es dir sage.«
    Es folgte eine quälend lange Pause.
    »Im Kasten!«, brüllte der Regisseur und rannte auf die
     Darsteller zu.
    »Im Kasten! Hurra, wir haben’s im Kasten!«, jubelte er und
     fiel ihnen um den Hals.
    Die Szenaristin schlug erst einmal ein schwungvolles
     Kreuz, dann eilte sie ihm hinterher.
    »Im Kasten, Mensch! Verdammt noch mal …« Der Regisseur
     küsste seine Akteure ab, drückte und zwickte sie. »Es ist im Kasten, meine Lieben!
     Ihr Helden!«
    Die Szenaristin im knallengen Kleid, groß und kantig, mit
     ewigem Kindergesicht, trat hinzu, umarmte »Iwan«, schmiegte sich an ihn.
    »Gott sei Dank … Mir wollte das Herz im Leibe zerspringen
     …«
    »War es denn zufriedenstellend?«, fragte der »Amerikaner«, die
     Brille abnehmend, in nüchternem Ton.
    Der Regisseur boxte ihn gegen die Schulter.
    »Ob es zufriedenstellend war? Du bist ein Genie!«
    »Was mich betrifft – ich hab was im Stiefel, das juckt wie
     verrückt!« Iwan lachte erleichtert und fuhr sich mit der Hand in den Stiefel.
     »Irgendein verdammtes Viech ist mir da reingekrochen und kitzelt, aber wie!«
    »Mann, Alter!«, rief der Regisseur und umarmte seinen
     »Iwan«.
    »War wohl nicht ganz schlecht?«
    »Es war optimal. Optimal!«
    »Und den Sonnenuntergang haben wir auch!«, sagte der
     Kameramann, ein untersetzter, graubärtiger Profi.
    »Nicht zu fassen! Auch das noch! Hurra!«
    Der Regisseur drehte aufgekratzt den rasierten Kopf hin
     und her, ruckelte immer wieder an seiner Brille. »Da, schaut! In einer Minute ist er
     weg! Dann wäre Sense gewesen. Wir aber haben ihn, Scheiße noch mal!«
    »Jegor, ich bitte dich inständig, lass das Fluchen sein!«,
     mahnte die Szenaristin, bevor sie ihm um den Hals fiel.
    Der Regisseur griff die Szenaristin bei den eckigen
     Schultern, schüttelte sie.
    »Aber wir haben ihn, den Untergang, begreifst du denn
     nicht, Awdotja? Das war dermaßen knapp!«
    »Anderthalb Minuten!«, bestätigte die Kameraassistentin.
    »Da hörst du’s! Anderthalb Minuten! Dann wär’s vorbei
     gewesen!«
    »Gebt mir doch endlich mal einen Stuhl, dass ich den
     Stiefel loswerde!«, brüllte »Iwan«.
    »Einen Stuhl auf den Dreh!«, brüllte die
     Kameraassistentin.
    »Und der Kuckuck hätt’s uns um ein Haar verschissen,wie?«, lachte der »Amerikaner« und zündete sich eine Zigarette
     an.
    »Ach ja, richtig.« Das Gesicht des Regisseurs verdüsterte
     sich. »Schafft mir den Geräuschemacher her!«
    »Bin schon da, Meister Jegor!«
    Ein ärmlich gekleideter, buckliger junger Mann kam geeilt.
     »Bitte um Nachsicht, dass mir das eine Mal was danebenging …«
    »Das eine Mal!«, brüllte der Regisseur, sein Gesicht wurde
     rot. »Einmal ist keinmal, wie? Einmal Arschficken macht noch nicht schwul? Mach,
     dass du wegkommst! Morgen hast du frei, dass du’s weißt!«
    »Verzeiht mir, der Teufel hat mich geritten!«
    »Schieb’s bloß nicht auf den! Verschwinde!«
    Der Regisseur drängte ihn beiseite und sah sich um.
    »So. Genug für heute!«
    »Darf man zu Tisch bitten, Jegor Michailowitsch?«, wollte
     eine füllige Frau wissen.
    »Man darf nicht nur, man muss!«
    »He-errschaften! Es ist an-ge-rich-tet!«, rief sie, die
     Hände wie einen Trichter um den Mund gelegt.
    Der Regisseur winkte den Darstellern, klatschte ein
     paarmal in die Hände.
    »Schluss jetzt. Hopp, hopp ins Zelt!«
    Alles strömte vom Drehplatz in das grüne Zelt, das weiter
     hinten unter Birken errichtet war. Dort standen Tisch und Stühle,

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