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Der Zuckerkreml

Der Zuckerkreml

Titel: Der Zuckerkreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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Daumen steil in die Höhe.
    Der Amerikaner ging in die Hocke, suchte und fand die beiden Ringe
     im Moos.
    »Um deine Seele ist’s dir zu tun, Wanja, verstehe ich
     recht?«
    »Jawohl!«, sagte der junge Mann, machte eine entschlossene
     Kehrtwendung und wollte gehen.
    Doch der Stock des Amerikaners hakte sich in seine
     Schulter.
    »Und als du das hier verzapftest, da war dir die Seele
     grad schnuppe, oder wie?«
    Der Amerikaner hielt plötzlich eine kleine schlaue
     Maschine in seiner Hand und setzte sie in Gang. Über der Wiese entstand ein
     Hologramm: Der junge Mann in der Uniform eines Hauptmanns der russländischen
     Luftstreitkräfte schließt sich in einer Toilettenkabine ein, zieht etwas aus der
     Tasche und schiebt es schnell hinter das Becken. Darauf wartet er ein Weilchen ab,
     zieht die Spülung und verlässt pfeifend die Kabine. Was er da pfeift, ist die
     Romanze »Was tut es, ob ich leide oder lache …«.
    »Ich glaube ja nicht, mein lieber Wanja, dass eure Geheime
     Kanzlei darob sonderlich erfreut sein wird.«
    Den Amerikaner traf ein kurzer, hasserfüllter Blick.
    »Keine Angst, ich zeig mich zuallererst selber an!«, sagte
     Iwan.
    Der Amerikaner stutzte. Das Hologramm verschwand.
    »Gleich geh ich zur Geheimen Kanzlei und beichte alles!«
    »Und du meinst, man wird dir verzeihen?«
    »Das müssen andere entscheiden. Hauptsache, ich zerreiße
     euer tückisches Spinnennetz! Wenigstens damit will ich der Heimat einen Dienst
     erweisen. Und vielleicht ist sie dann weniger sauer auf mich.«
    Mit diesen Worten wollte Iwan von dannen ziehen.
    »Weniger sauer? Auch über das da?«
    Über der Wiese hing nun ein neues Hologramm: Hotelzimmer,
     kreischende amerikanische Jazzmusik, Iwan steht nackt und sturzbetrunken über einen
     Tisch gelehnt, der voller fremdländischer Speisen und Getränke ist, hält ein
     Nutellaglas in der Hand, pult mit den Fingern die Schokoladenmasse aus dem Glas und
     schleckt sie ab, während im Hintergrund ein schöner Mulatte, Zigarre zwischen den
     Zähnen, anal mit ihm verkehrt. Die Schulter des Mulatten trägt die typische
     Tätowierung amerikanischer Fallschirmjäger: einen Totenkopf am Fallschirm.
    Iwan sah das Hologramm und stand wie vom Donner gerührt.
    »My sweet russian boy!«, sprach der Mulatte mit lüsternem
     Lachen und blies dem holografischen Iwan Zigarrenrauch in den Nacken.
    Durch das Hologramm ging ein Flackern. Die Szenaristin
     zuckte, doch der Regisseur fasste sie beim Handgelenk.
    »Nein, nein«, flüsterte er mit erhobenem Zeigefinger, »das
     muss so sein.«
    Iwan glotzte mit irrem Blick auf das Hologramm.
    »Willst du dieses auch beichten?«, fragte der Amerikaner,
     ganz nahe an ihn herantretend.
    Iwan stand und rührte sich nicht.
    Der Amerikaner gab ihm einen Stoß. Iwan fiel wie ein Sack
     ins Gras. Der Amerikaner schaltete das Hologramm ab, kauerte sich neben den jungen
     Mann, streichelte ihn.
    »Mach keine Dummheiten, Wanja. Es gibt keinen Weg zurück
     für dich.«
    Er zog das Zigarettenetui wieder hervor und entnahm ihm
     eine Zigarette, die er Iwan zwischen die Lippen steckte und anzündete.
    »Ich und du, wir hängen am selben Schnürchen. Allein der Tod kann
     es zerreißen. Und sterben möchtest du doch nicht so bald, oder?«
    Iwan setzte sich auf, starrte zu Boden. Der Amerikaner
     rauchte nun auch. Ließ die Ringe auf seiner Handfläche hüpfen.
    »Du bist jung. Hast noch alles vor dir. Und so darfst du
     mit unseren Geschenken nicht umgehen, hörst du? Das sind doch keine Glasperlen.«
    Er steckte die Ringe zurück an Iwans kraftlose Finger.
    »Außerdem habe ich dir noch etwas Hübsches mitgebracht.«
    Lächelnd zog der Amerikaner ein goldenes Brillantringlein
     aus der Tasche und schob es Iwan über den kleinen Finger.
    »Jetzt hast du zu dem Saphir und dem Mondstein auch noch
     einen Brillanten am Patschhändchen strahlen. Und der Brillant, musst du wissen, mein
     lieber Iwan, ist der edelste aller Steine. Er ist gewissermaßen gar kein Erdenstein,
     sondern ein herabgefallener Splitter vom Himmelsgewölbe. Freu dich daran!«
    Mit diesen Worten hob der Amerikaner Iwans Hand vor dessen
     Gesicht.
    Iwan sog gierig an seiner Zigarette, sprang auf und ging
     los. Geräuschlos fuhr die Kamera auf ihrer Laufschiene hinter ihm her.
    Der Amerikaner lief auf gleicher Höhe, fasste Iwan um die
     Taille.
    »Und noch was«, sagte er, zog einen ledernen Geldbeutel
     aus der Tasche, wog ihn auf der flachen Hand. »Hundert

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