Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zuckerkreml

Der Zuckerkreml

Titel: Der Zuckerkreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
Vom Netzwerk:
die Schauspieler
     ließen sich nieder, zwei Maskenbildnerinnen gingen daran, sie abzuschminken und
     umzukleiden. Der Regisseur zog eine Flasche schottischen Whisky aus der Tasche – Dewar’s, zwölf Jahre gelagert – und
     schenkte hastig in eine Reihe Plastikbecher aus.
    »Schnell-schnell-schnell …«
    »Jegor Michailowitsch, wollen Sie schon was sehen?«,
     fragte ein Kameraassistent, ins Zelt hereinschauend.
    »Später!«, brüllte der Regisseur, die Whiskyflasche vor ihm
     abschirmend. »Tanja! Dass mir hier keiner reinkommt!«
    Die Szenaristin nahm ihm die Flasche aus der Hand.
    »Gib sie mir. Da ist sie sicher.«
    Sie schob den Whisky in ihre Tasche und diese unter den
     Tisch, entnahm dem Kühlschrank eine Flasche russischen Korn und stellte sie in die
     Mitte.
    »Sind Bartträger genehm?«, fragte der Kameramann, den Kopf
     hereinsteckend.
    »Georgijewitsch! Wo bleibst du denn!«
    Der Regisseur streckte ihm einen Becher hin.
    Auch die anderen, mit Ausnahme der Maskenbildnerinnen,
     nahmen sich einen.
    »Auf uns!«, verkündete der Regisseur, die Brille
     zurechtrückend.
    Alle tranken. Der Regisseur zog eine Packung Rodina hervor
     und riss sie auf. Etliche Hände bedienten sich.
    »Das hätten wir also!«, sagte der Regisseur nach dem
     ersten Zug.
    »Ich hatte, ehrlich gesagt, nicht geglaubt, dass wir das
     heute in den Kasten kriegen«, sagte die Szenaristin, die gleichfalls gierig an ihrer
     Zigarette saugte.
    »Ich auch nicht!«, lachte der Kameramann.
    »Und ich hab’s irgendwie gewusst, stellt euch vor!«, sagte
     »Iwan«.
    »Die dritte Klappe!«, sagte der Regisseur, dem das Blut in
     den runden Kopf stieg. »Es ist immer wieder rätselhaft. Immer ist es die dritte, die
     hinhaut, verdammt noch mal. Das muss doch was bedeuten!«
    »Die Heilige Dreifaltigkeit«, sagte der Kameramann und
     kraulte sich bedächtig den Bart.
    »Ach, ich denke, das ist eher Schicksal, Jegoruschka!«,
     lachte die Szenaristin.
    »Awdotja, mein Augenstern!«, sagte der Regisseur und griff nach
     ihrem langen Arm. »Leute, lasst uns trinken auf diese großartige Frau! Wie schon
     Jean Gabin sagte: Das Drehbuch macht den Film, das Drehbuch und nix sonst!«
    »Da bin ich anderer Meinung«, widersprach der Kameramann.
    »Anderer Meinung«, äffte der Regisseur ihn nach. »Was du
     nicht sagst. Schenk lieber ein!«
    Der Kameramann beugte sich unter den Tisch nach dem
     Whisky.
    »Dürfte ich lieber einen Wodka haben?«, fragte der
     »Amerikaner«, der sich mit einer feuchten Papierserviette das Gesicht wischte.
    »Aber natürlich!«
    Die Szenaristin goss ihm einen Wodka ein.
    Die anderen bekamen Whisky nachgeschenkt.
    Eine der Maskenbildnerinnen nahm den leeren Whiskybecher
     des Amerikaners zur Hand, roch daran, leckte.
    »Höchlich merkwürdig, wie das riecht.«
    Der Regisseur hob seinen Becher.
    »Auf dich, Awdotja!«
    Alle tranken.
    Der Regisseur atmete geräuschvoll aus und sog im nächsten
     Moment an seiner Zigarette.
    »Die Idee mit dem Tisch und das alles … Genial, kann ich
     nur sagen!«
    »Ich hab Sodbrennen von dem Nutella«, lachte Iwan. »Wie
     können die bloß so einen Dreck essen!«
    »Die Arschfickerei wird nicht durchgehen, schätze ich
     mal«, sagte der Kameramann und stieß schnaufend Rauch aus.
    »Unke doch nicht, Mann!«, brüllte der Regisseur.
    »Darüber sollten wir jetzt nicht nachgrübeln, Wasja«,sagte die Szenaristin begütigend und legte die Hand auf die
     Schulter des Kameramanns.
    »Ich grüble ja gar nicht, ich sage nur.«
    »Ob sie es durchgehen lassen oder nicht, wer will das
     voraussehen«, stellte der Regisseur fest, während er den restlichen Whisky
     ausschenkte. »Ich bin nicht Yeti Fedi, das ist klar. Aber ich darf mir doch wohl
     auch einmal eine entschiedene Äußerung herausnehmen. Das ist doch mein gutes Recht,
     oder etwa nicht? Und das wissen die da oben sehr wohl!«
    »Natürlich …«
    Alles nickte und pflichtete ihm bei.
    »Ihr habt euch jedenfalls heute selber übertroffen,
     Jungs!«, sagte der Regisseur und klopfte den Darstellern die Schultern. »Auf euch!«
    Alle tranken.
    »Uff! Ich bin, scheint’s, schon ein bisschen besoffen«,
     sagte der Regisseur und grinste blöde.
    »Du bist müde, Jegoruschka, das ist es«, sagte die
     Szenaristin und legte den Arm um ihn. »Steig in den Tank und schlaf ein bisschen.«
    »Nein-nein.«
    Der Regisseur leckte sich die Lippen, rückte die Brille
     zurecht und überlegte.
    »Weißt du was, Georgi, schauen wir doch lieber

Weitere Kostenlose Bücher