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Der Zuckerkreml

Der Zuckerkreml

Titel: Der Zuckerkreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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wirklich
     noch vier weitere Jahre ertragen? Mich nähren, lieben … als ob nichts wäre?!«
    Sein durch den Hain irrender Blick hielt plötzlich inne.
     Er schluckte.
    »Wird ihr denn nicht heiß werden unter meinen Füßen?«
    Er schlug die Hände vor das Gesicht – an jedem Ringfinger
     ein Ring. Schüttelte den Kopf. Ließ die Hände kraftlos wieder sinken.
    »Nein, ich weiß«, seufzte er. »Das sähe dir nicht ähnlich,
     russische Erde. Du liebst uns Russen alle, ohne Unterschied. Die dich behüten ebenso
     wie die, die dich verraten.«
    Der Regisseur hob die Hand – erst zur Faust geballt, dann
     jäh die Finger spreizend.
    Hinter dem Stamm einer knorrigen alten Espe – ausgehöhlt
     und abgestorben, die einzige ihrer Art im ganzen Hain – trat ein hagerer Mann
     hervor: grau meliert mit Sonnenbrille, gestutztem Oberlippenbärtchen, kakaofarbenem
     Sakko, einem T-Shirt mit dem Aufdruck Colorado
     2028, engen weißen Hosen, großen, klobigen Turnschuhen der Marke Chamäleon aus lebendgebärender Plastik sowie
     einem Spazierstöckchen.
    »Wessenthalben bläst du Trübsal, Iwanuschka?«, sprach der
     Herr mit leichtem amerikanischen Akzent.
    Der junge Mann zuckte so heftig zusammen, dass er
     schwankte, streckte wie zur Abwehr die Hände aus.
    »Puh«, rief er. »Weiche! …«
    »Kein Grund zum Fürchten! Es ist nur die meine Wenigkeit«,
     sprach der Herr und kam näher, tippte dem jungen Mann mit dem Stock an die Schulter.
    Der kratzte sich die Brust und schnaufte.
    »Teufel, hast du mich erschreckt!«
    »Teufel? Der bin ich gewiss nicht!«
    »Nein, schlimmer«, sagte der junge Mann, über die Schulter
     äugend.
    Der Herr holte ein Zigarettenetui aus der Tasche. Klappte
     es auf, hielt es dem Jungen vor die Nase.
    »Would you like a cigarette, my dear?«
    »Mit dem Teufelskraut geb ich mich nicht mehr ab«,
     murmelte der junge Mann.
    »Oha! Seit wann denn das?«
    Der Junge bedachte den Amerikaner mit einem stechenden
     Blick.
    »Seit heute.«
    Der Amerikaner nahm die Sonnenbrille ab. Die beiden Männer
     sahen sich in die Augen. Es entstand eine lange, gespannte Pause, in der die Blicke
     einander standhielten.
    Der Regisseur hob beide Daumen und schüttelte sie. »Ja!
     Ja! Ja!«, formten seine Lippen in stummer Begeisterung, dabei boxte er der neben ihm
     sitzenden Szenaristin gegen das Knie. Die, ohne den Blick vom Monitor zu wenden,
     ergriff die Faust des Regisseurs und küsste sie. Ein lautloses Rumoren der
     Anerkennung ging durch den ganzen Drehstab, der der Szene atemlos gefolgt war.
    »Was hast du, Iwan?«, fragte der Amerikaner, während er
     das Zigarettenetui wieder einsteckte.
    »Das kann ich dir sagen!«, stieß der Junge hervor und
     stand entschlossen auf.
    Nun sah man, dass er größer als der Amerikaner war.
    »Mit den Treffen mach ich Schluss jetzt«, stieß er rau
     hervor.
    Die Augen des Amerikaners verengten sich zu einem Spalt.
    »Aus welchem kühlen Grunde?«
    »Aus dem Grund, dass ich nicht mehr für euch arbeiten will.«
    Auf einmal kuckuckte es wieder aus dem Hain. Der
     Kameramann zuckte zusammen, zischte, spuckte aus. Die Szenaristin schloss vor
     Entsetzen die Augen. Der Regisseur schnellte von seinem Stuhl, schüttelte drohend
     die Faust. Seine Lippen malten einen Fluch.
    »Sauerei!!«
    Hektisches Treiben im Drehstab. Der Kuckucksruf
     verstummte.
    Der Regisseur in seiner Wut biss sich auf die Unterlippe,
     richtete seine Brille, sank auf den Stuhl, schüttelte seufzend den Kopf. Die
     Szenaristin ebenso, ihr Kopfschütteln wollte gar nicht wieder aufhören, sie hielt
     die Hand vor den Mund gepresst.
    »Sa-bo-ta-ge!«, zischte der Kameramann.
    Der Amerikaner setzte die Sonnenbrille auf.
    »Aber wieso denn? Zahlen wir dir womöglich zu wenig?«
    »Euer Geld, das brauch ich nicht mehr. Dich falsche
     Schlange möcht ich nie mehr sehn. Hast mir schon bannig Blut ausgesaugt, mich
     eingespannt in dein schändliches Tun. Aber meine Seele, die hab ich euch Missetätern
     noch nicht verkauft! Damals nicht und heute nicht! Meine Seele ist frei! Heb dich
     hinweg, Satan! Da hast du deine Geschenke wieder!«
    Der junge Mann riss sich die beiden Ringe von den Fingern
     und schleuderte sie dem Amerikaner vor die Füße.
    »Und dass du es bloß nicht mehr wagst, mich zu behelligen,
     das sag ich dir und deiner ganzen Botschaft ein für alle Mal. Sonst meld ich es der
     Geheimen Kanzlei!«
    Eine neue Pause entstand. Der Regisseur hatte sein
     Entzücken wiedergefunden, hielt die

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