Der Zuckerkreml
wirklich
noch vier weitere Jahre ertragen? Mich nähren, lieben … als ob nichts wäre?!«
Sein durch den Hain irrender Blick hielt plötzlich inne.
Er schluckte.
»Wird ihr denn nicht heiß werden unter meinen Füßen?«
Er schlug die Hände vor das Gesicht – an jedem Ringfinger
ein Ring. Schüttelte den Kopf. Ließ die Hände kraftlos wieder sinken.
»Nein, ich weiß«, seufzte er. »Das sähe dir nicht ähnlich,
russische Erde. Du liebst uns Russen alle, ohne Unterschied. Die dich behüten ebenso
wie die, die dich verraten.«
Der Regisseur hob die Hand – erst zur Faust geballt, dann
jäh die Finger spreizend.
Hinter dem Stamm einer knorrigen alten Espe – ausgehöhlt
und abgestorben, die einzige ihrer Art im ganzen Hain – trat ein hagerer Mann
hervor: grau meliert mit Sonnenbrille, gestutztem Oberlippenbärtchen, kakaofarbenem
Sakko, einem T-Shirt mit dem Aufdruck Colorado
2028, engen weißen Hosen, großen, klobigen Turnschuhen der Marke Chamäleon aus lebendgebärender Plastik sowie
einem Spazierstöckchen.
»Wessenthalben bläst du Trübsal, Iwanuschka?«, sprach der
Herr mit leichtem amerikanischen Akzent.
Der junge Mann zuckte so heftig zusammen, dass er
schwankte, streckte wie zur Abwehr die Hände aus.
»Puh«, rief er. »Weiche! …«
»Kein Grund zum Fürchten! Es ist nur die meine Wenigkeit«,
sprach der Herr und kam näher, tippte dem jungen Mann mit dem Stock an die Schulter.
Der kratzte sich die Brust und schnaufte.
»Teufel, hast du mich erschreckt!«
»Teufel? Der bin ich gewiss nicht!«
»Nein, schlimmer«, sagte der junge Mann, über die Schulter
äugend.
Der Herr holte ein Zigarettenetui aus der Tasche. Klappte
es auf, hielt es dem Jungen vor die Nase.
»Would you like a cigarette, my dear?«
»Mit dem Teufelskraut geb ich mich nicht mehr ab«,
murmelte der junge Mann.
»Oha! Seit wann denn das?«
Der Junge bedachte den Amerikaner mit einem stechenden
Blick.
»Seit heute.«
Der Amerikaner nahm die Sonnenbrille ab. Die beiden Männer
sahen sich in die Augen. Es entstand eine lange, gespannte Pause, in der die Blicke
einander standhielten.
Der Regisseur hob beide Daumen und schüttelte sie. »Ja!
Ja! Ja!«, formten seine Lippen in stummer Begeisterung, dabei boxte er der neben ihm
sitzenden Szenaristin gegen das Knie. Die, ohne den Blick vom Monitor zu wenden,
ergriff die Faust des Regisseurs und küsste sie. Ein lautloses Rumoren der
Anerkennung ging durch den ganzen Drehstab, der der Szene atemlos gefolgt war.
»Was hast du, Iwan?«, fragte der Amerikaner, während er
das Zigarettenetui wieder einsteckte.
»Das kann ich dir sagen!«, stieß der Junge hervor und
stand entschlossen auf.
Nun sah man, dass er größer als der Amerikaner war.
»Mit den Treffen mach ich Schluss jetzt«, stieß er rau
hervor.
Die Augen des Amerikaners verengten sich zu einem Spalt.
»Aus welchem kühlen Grunde?«
»Aus dem Grund, dass ich nicht mehr für euch arbeiten will.«
Auf einmal kuckuckte es wieder aus dem Hain. Der
Kameramann zuckte zusammen, zischte, spuckte aus. Die Szenaristin schloss vor
Entsetzen die Augen. Der Regisseur schnellte von seinem Stuhl, schüttelte drohend
die Faust. Seine Lippen malten einen Fluch.
»Sauerei!!«
Hektisches Treiben im Drehstab. Der Kuckucksruf
verstummte.
Der Regisseur in seiner Wut biss sich auf die Unterlippe,
richtete seine Brille, sank auf den Stuhl, schüttelte seufzend den Kopf. Die
Szenaristin ebenso, ihr Kopfschütteln wollte gar nicht wieder aufhören, sie hielt
die Hand vor den Mund gepresst.
»Sa-bo-ta-ge!«, zischte der Kameramann.
Der Amerikaner setzte die Sonnenbrille auf.
»Aber wieso denn? Zahlen wir dir womöglich zu wenig?«
»Euer Geld, das brauch ich nicht mehr. Dich falsche
Schlange möcht ich nie mehr sehn. Hast mir schon bannig Blut ausgesaugt, mich
eingespannt in dein schändliches Tun. Aber meine Seele, die hab ich euch Missetätern
noch nicht verkauft! Damals nicht und heute nicht! Meine Seele ist frei! Heb dich
hinweg, Satan! Da hast du deine Geschenke wieder!«
Der junge Mann riss sich die beiden Ringe von den Fingern
und schleuderte sie dem Amerikaner vor die Füße.
»Und dass du es bloß nicht mehr wagst, mich zu behelligen,
das sag ich dir und deiner ganzen Botschaft ein für alle Mal. Sonst meld ich es der
Geheimen Kanzlei!«
Eine neue Pause entstand. Der Regisseur hatte sein
Entzücken wiedergefunden, hielt die
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