Der Zuckerkreml
Türstehers flinken Händen erscheint eine raschelnde
schwarze Plastiktüte und schluckt den spitzohrigen Hundekopf.
Ochlop nutzt die Zeit, da die Kanzel des Merins sich wieder
schließt, um Atem zu schöpfen, dann dreht er sich brüsk um und geht – schaukelnder
Wanst, gerunzelte Hängebrauen, die fleischigen Lippen vorgestülpt – auf das Haus zu.
Unter den kupfernen Beschlägen seiner Stiefelsohlen knirscht der Kies, er erklimmt
die Stufen zur Tür. Der weiß schlängelnde Tatare kommt gerannt, überholt ihn
beflissen, reißt die Tür vor ihm auf.
»Bitte, der Herr erlauben, bitte schön …«
Ochlop tritt, mit den Brokatschultern die prächtigen
Türbalken streifend, ein.
Im Foyer ist alles rot: Decke, Wände, Sessel, Teppiche,
das Kleid des Mädchens hinter dem purpurnen Sicherheitstresen auch. Selbst das
Kronleuchtergehänge schillert himbeerfarben.
»Guten Ta-a-a-ag!«, schmettert die Maid, neigt das fein
frisierte Köpfchen und zieht die rot geschminkten Lippen breit.
»Zum Gruß!«, schnauft Ochlop, den silbernen Waffengürtel
abschnallend und auf den Tresen vor das Mädchen hinknallend, dass es scheppert.
»Schön, Euch gesund und bei Kräften wiederzusehen!«,
flötet die Kleine und nimmt den Gürtel entgegen.
»Wo isse?«, stößt Ochlop kurzatmig hervor, zieht ein
feines Batisttuch aus dem Ärmel und reibt sich damit das Dreifachkinn.
»Die Oberkommandierende ist schon auf dem Weg!«, tut das
Mädchen mit schelmisch blitzenden Augen kund.
Und Ochlop hat noch nicht sein »Gutti!« ausgesprochen, ein
Wort, das er liebt, als die schweren karminroten Vorhänge rascheln und eine kleine,
schmale, nicht mehr ganz junge weibliche Person in himmelblauer Husarenuniform zum
Vorschein bringen.
»Mein Wohltäter! Mein Seelchen!«
»Mein blaues Frettchen!«, ruft Ochlop, und seine fetten
Lippenwülste schwimmen auseinander, sodass zwei Reihen kräftiger neuer Zähne blank
liegen.
»Du mein Langersehnter!«, ruft die Oberkommandierende und
küsst erst Ochlops Ring, reckt dann das spitze blaue Mündchen nach oben, stellt sich
auf die Spitzen ihrer Husarenstiefelchen.
»Ein Gruß der tapferen Husarin!«, erwidert Ochlop und
setzt einen Kuss auf das Lippenblau.
»Mein Teuerster, sei gegrüßt!«, erwidert die Husarin
sporenklirrend.
»Was hab ich mich gelangweilt ohne dich.«
»Und unsereins erst!«
Die Husarin legt den kleinen Arm ein Stück um Ochlops
Hüfte und drängt ihn aus dem Foyer.
»Wir haben Neuzugänge! Keine Mädchen, sondern Himbeeren
mit Sahne!«
»Aber du weißt doch, ich mag die guten alten!«
»Die sind auch noch da. Alte und Neue!«
Arm in Arm wechseln Gast und Hausherrin in den Salon. Dort
spielt leise Musik, Kerzen brennen, und zwölf Jungfern in Häubchen und Sarafanen
sitzen züchtig, die Augen niedergeschlagen, auf ihren Stühlen.
»Tritt näher, lieber Gast, fühl dich wie zu Hause«, lädt
die Chefin ein, und ihre Sporen klingeln.
Die Jungfern stehen auf und verneigen sich tief.
»Hallo, ihr Süßen!«, lacht Ochlop.
»Heil Euch, Iwan Wladimirowitsch!«, erwidern die Jungfern
im Chor.
»Unsere Stütchen stehen auf dem Schlauch ohne dich, Iwan,
du mächtige Sonne!«, sagt die Husarin und streichelt Ochlops mächtige Hand. »Die
niedlichen Jungfern dörren und darben!«
Ochlop lässt seinen Bauch wackeln.
»Das glaub ich nicht! Tu nicht so, als ließe sich die Adels- und
Bojarenbrut nie bei euch blicken!«
»Jeden hab ich von der Schwelle gejagt, allen die Tür
gewiesen um deinetwillen, mein Herr!«
»Du schätzt also die Opritschniki ganz besonders, ja?«
»Wie sollte ich nicht? Die Diener des Gossudaren! Mutter
Russland ruht auf euern Schultern!«
»Na prima. Dann leg mal los!«
Die Mädchenoberkommandierende geht den Kreis ab und führt
vor.
»Anfiska, das Fötzelchen. Tanetschka, das Stößelchen.
Galinka, das Rupfelchen. Polinka, das Beerli. Lenotschka, das Schäumeli. … Die
kennst du alle schon, mein Wohltäter.«
»Und ob!«
»Aber die hier, Anetschka und Agaschenka, die kennst du
noch nicht, denn die sind ganz frisch.«
»Nein, die kenn ich nicht. Zeig her!«
Die Husarin führt die zwei Hübschen heran, hebt die
wunderhübschen Schöße ihrer Sarafane. Darunter sind sie blutjung, wohlgebaut und
überhaupt so, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft.
»Schau sie dir an, mein Herr und Gebieter! Ist das
nichts?«
Ochlob schaut mit blutunterlaufenen Augen. Schaut
Weitere Kostenlose Bücher