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Der Zuckerkreml

Der Zuckerkreml

Titel: Der Zuckerkreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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hatt ich zwei Kanister angeschleppt.
     Und heute seh ich – kein Tropfen mehr.«
    »Ihr lebt ja üppig.« Sascha stellte ein Krüglein vor ihn
     auf den Tisch, legte einen Teebeutel hinein und setzte sich ihm gegenüber.
    »Mutter guckt alleweil in die Blase. Die Serie mit dem
     Waisenkind.«
    »Alewtina?«
    »Genau.«
    Wanja blickte Sascha an. Sie seufzte und sah aus dem
     Fenster.
    »Ich guck bloß Nachrichten, und das auch nich jeden Tag«,
     sagte sie.
    »Ich guck gleich gar nich.«
    »Das ist das Beste.«
    Sascha sah wieder aus dem Fenster. Die Wanduhr piepte:
     9:30.
    »Kommste nich zu spät?«, fragte sie, zur Uhr sehend.
    »Ach was!« Wanja winkte ab. »Die warten. Sind froh, dass
     sie ’nen Esel wie mich gefunden haben.«
    Im Sieder kochte es. Sascha stand auf, brachte das Wasser
     herüber, goss ein.
    »Trinkst du keinen?«
    »Hab schon.«
    Iwan zog einen in Papier verpackten kleinen Gegenstand aus
     der Tasche und wickelte ihn aus.
    »Schau, ich hab uns was mitgebracht.«
    Wanja faltete das Papier ganz auseinander. Darin lag ein
     Zuckerkremlturm: der Kutafja.
    »Ja sag mal!« Sascha stellte den Sieder auf dem Tisch ab,
     nahm den Turm in die Hand. »Wo hast du den her?«
    »Hat der Schwager angeschleppt.«
    »Hübsch.«
    »Tja. Davon verstehn sie was … Gib das Messer.« Wanja
     blickte Sascha ins Gesicht.
    Sascha zog den schmalen Tischkasten auf, holte ein langes
     Küchenmesser mit abgewetztem Holzgriff hervor und reichte es Wanja. Der nahm ihr den
     Turm aus der Hand, legte ihn auf seine flache Linke, schwang das Messer und hieb den
     Turm in zwei Hälften. Die eine reichte er Sascha und streute sich die abgesprengten
     Zuckerkrümel in den Mund.
    »Setz dich und trink auch noch einen.«
    Sascha goss sich heißes Wasser ins Glas, warf einen
     Teebeutel hinein, setzte sich und rührte mit dem Löffel um. Wanja tunkte seine
     Turmhälfte in den Tee, lutschte, biss ab. Trank Tee nach. Sascha tunkte ihre Hälfte
     ein, lutschte, trank. Schaute aus dem Fenster. Wanja knabberte am Zucker und schaute
     Sascha in die Augen.
    »Der Schwager hat in Medyn ’ne neue Schote über die
     Schwiegertochter vom Gossudaren gehört«, sagte er und schlürfte vernehmlich seinen
     Tee.
    »Die Nastja?«
    »Genau. Im Kreml, da gibts ein wunderhübsch Mägdelein, das
     führt drei Pud Scheiße auf dem Kopf spazieren. Wenn sie sich verbeugt, bricht ein
     halbes Pfund ab. Und wenn sie den Pfau macht …«
    »… wachsen zweie nach.«
    »Ach. Den kennst du schon?«, lachte Wanja.
    »Ja.«
    »Den Pfau macht … Is doch witzig, oder?«, lachte Wanja und
     kniff das Auge zusammen.
    »Na ja. Warum auch nicht? Soll sie den Pfau machen. Muss
     ja keine Kuh melken, denk ich.«
    »Nee, das bestimmt nich. Für die melken andere.«
    »Melken und tun und machen.«
    »Na, genau.«
    Sie schwiegen ein Weilchen und schlürften ihren Tee.
     Plötzlich fing die auf dem Tisch liegende Fernspreche zu klingeln an. Es erschien
     ein winziges, unscharfes Hologramm: das Gesicht einer Alten mit Kopftuch.
    »Hallowerischda?«, fragte die Alte, die Augen angestrengt
     zusammenkneifend.
    »Holla, die Waldfee«, scherzte Sascha, das Glas an den
     Lippen. »Wen wollen Sie sprechen?«
    »Naschtaschja.«
    »Nastasja, das bin ich nicht«, lachte Sascha.
    »Nastasja, die sitzt im Kreml«, fügte Wanja hinzu.
    Sascha und Wanja lachten herzlich. Die Alte verschwand.
    »Wieso stellst du dir eigentlich keinen Regenbogen hin?«,
     fragte Wanja.
    »Wofür zum Kuckuck brauch ich so was?«
    »Na, weil … Is schön groß. Sieht man besser.«
    »Geht auch so.«
    Sascha sah aus dem Fenster, lutschte Zucker und schlürfte
     Tee. Wanja blickte hin und wieder zu ihr hinüber. Im Dorf bellten zwei Hunde.
     Freundchen knurrte erst und fiel dann ein. Als die Hunde genug gebellt hatten,
     verstummten sie. Freundchen winselte und jaulte, dann war auch er wieder still. Ein
     Flugzeug flog vorüber.
    Schweigend tranken sie ihren Tee und verspeisten den Turm.
    »Na gut«, sagte Wanja und rieb sich das Knie. »Dann werd
     ich mal wieder.«
    »Willst du los?«, fragte Sascha und stand auf.
    »Ich muss«, sagte er lächelnd. »Vielen Dank für den Tee.«
    »Bitte.«
    Wanja stand auf und ging zur Tür, nahm die Mütze vom
     Haken, setzte sie auf, schob sie in den Nacken. Öffnete die Tür, tat einen Schritt
     in den schummrigen Flur hinaus, Sascha kam hinterher. Plötzlich drehte Wanja sich
     um, umarmte sie ungelenk. Sascha stand steif.
    »Findest du, dass ich ein geiler Bock

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