Der zugeteilte Rentner (German Edition)
ersten fünf Minuten waren rum.
„MacGyver gibt nie auf. Er findet immer eine Lösung“, brummte er. „Ganz egal, wie aussichtslos die Situation ist in der er steckt, er findet einen Weg! Seien Sie doch einfach MacGyver. Nur ohne die ganzen Explosionen und Tote. Einfach ein MacGyver des Alltags.“
„Seine Frisur würde mir nicht stehen!“
„Denken Sie darüber nach?“
„Vielleicht!“
Das waren nicht die aufbauenden Worte, die sie von einem alten Mann erwartete. Er hätte doch Lügen können und ihr sagen, dass sie sich nur etwas Mühe geben musste, einmal mit ihm reden, vielleicht auch mal zur Paar-Therapie. Stattdessen sollte sie dieser MacGyver sein. Wer war das eigentlich?
Liquiditätssicherung
Spät am Abend klingelte es. Es war eines dieser vorsichtigen, kurz angetippten Töne, aus denen man schließen konnte, dass der Besuch gar nicht stören wollte. Diese Art passte nur zu einem Menschen, und der wurde schon seit Stunden von Clara erwartet.
Maximilian schaute noch immer Fernsehen. Eine Quiz-Show. Tolle Preise. Der Hauptgewinn: Traumschiff auf Lebenszeit.
Der Gewinner bekam einen Platz auf der „Golden Age“, ein Kreuzfahrtschiff, das man auch als schwimmendes Altenheim bezeichnete. Gebaut wurde das Schiff von einem Milliardär, der herausfand, dass ein Platz im Altenheim viel teurer war als die gleiche Zeit auf einem Kreuzfahrtschiff zu verbringen – inklusive bester medizinischer Verpflegung. Daraufhin ließ er die „Golden Age“ bauen. Ältere Menschen verbrachten hier ihre letzen Lebensabende und bereisten gleichzeitig die ganze Welt. Ein schwimmendes Altenheim sozusagen. Ausgebucht auf Jahrzehnte. Nur wenn einer das Schiff verließ – und das war lediglich im Todesfall – wurde ein Platz frei. Doch selbst die schwerkranken Menschen erholten sich an diesem Ort und erfreuten sich neuer Gesundheit.
Die Medien verglichen das Schiff sofort mit der Insel der ewigen Jugend. Politiker bezeichneten es lieber als Seelenfänger – schließlich wollten alle Rentner plötzlich nur noch auf die Golden Age. Kein Wunder, dass die Show beste Einschaltquote brachte, sobald sie einen Platz auf dem Schiff verloste.
Maximilian störte das Klingeln nicht, er schlief bereits. Sein Kopf ruhte auf einem großen Kissen, die Wangen schmiegten sich an den Stoff, der Mund leicht geöffnet.
„Schlafen Sie?“
Maximilian öffnete die Augen und ohne viel nachzudenken verneinte er das erst einmal. Dann blickte er sich um und rieb sich die Augen.
„Ich habe nur nachgedacht!“
„Wenn sie vor dem Fernseher einschlafen, können sie ihn auch ausmachen.“
„Ich habe nicht geschlafen! Ich hatte nur kurz die Augen zu – zum Nachdenken.“
Clara wusste, dass eine Diskussion mit ihm keinen Sinn ergab, sie widmete sich lieber der Tür. Sie brauchte gar nicht durch den Türspion zu schauen: Finn stand davor. Sie war sauer auf ihn, mehr noch: Sie war gekränkt. Und er wusste das. Um sie zu besänftigen brachte er ihr Blumen mit. Doch kaum hatte Clara ihn gesehen, griff sie nach dem Grünzeug und warf es ihm vor die Füße. Natürlich versuchte er, sich zu entschuldigen, obwohl er ein Gesicht machte, als ahnte er gar nicht, was er falsch gemacht hatte.
Dafür wusste Clara es. Sie warf ihm vor, dass er sie nicht verteidigte, sie warf ihm vor, dass er sie nicht zu ihr stand, als es darauf ankam und sie warf ihm vor, dass er das alles nicht verstünde und überhaupt ein emotionaler Eisklotz wäre.
Maximilian beobachtete die beiden. Es ging hin und her. Schuldzuweisungen, Entschuldigungen, Vorhaltungen, Eingeständnisse und dennoch gelangten sie zu keinem Kompromiss. Bei diesem Gespräch gab es keinen Notausgang. Und Maximilian genoss das. Er schaltete den Fernseher leiser, um alles zu verstehen. Dann nahm er sich ein paar Nüsse, die noch auf dem Tisch standen und knabberte nebenbei.
„Wir haben doch ein viel größeres Problem. Und zwar diesen Rentner!“
„Das ist doch Quatsch!“
„Wenn der nicht da wäre, könnt ich morgen einziehen.“
Finn blickte in die Wohnung. Das Zimmer lag fast im Dunkeln, nur der Fernseher beleuchtete Maximilians Gesicht und gab ihm etwas Grünliches, Unheimliches.
„Schau ihn dir an! Er sitzt vor dem Fernseher – und er beobachtet uns.“
Clara wollte nicht länger streiten – worüber ging es eigentlich? Könnten sie sich nicht vertragen? Finn blickte sie mit seinen großen Augen an, es schien, als dachte er das Gleiche.
„Tut mir leid!“
Obwohl die beiden sich erst noch vor wenigen
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