Der zugeteilte Rentner (German Edition)
Linken, Hund an der Rechten. Er sah aus wie ein Junge, dem man die Schultüte in die Hand drückte und verabschiedete. Doch dieser ließ nur den Kopf hängen. Keine Lust auf Schule.
„Vielen Dank noch mal.“
Irgendwie tat er ihr leid, er sah so klein und zerbrechlich aus wie er dastand und die Arme an ihm herunter baumelten. Ein kleiner Zwerg mit einzelnen, wild abstehenden Haaren, die egal, wie man sie legte, sich immer nach oben kämpften. Clara ging auf ihn zu, nahm einen Kamm vom Regal und brachte seine Haare in Form.
„Und Sie kommen nicht wieder?!“
„Nein!“
„Sie packen das alleine?“
„Ja!“
„Sie wissen doch noch –„
„Ich gehe zu Herrn Osler! Der ist für alles zuständig!“
Clara betrachtete ihn. Sein Schal saß nicht richtig und ein Stück vom Mantel stand ab. Folglich strich sie über die Kleidung und brachte Ordnung in sein Aussehen. Dann steckte sie ihm ein eingepacktes Brot in die Außentasche; in die gegenüberliegende legte sie eine Banane.
„Gehen Sie jetzt! Wenn sie wiederkommen, werde ich sie leider töten müssen. Und dann muss ich in den Knast. Und ich will nicht in den Knast.“
Maximilian lächelte, dann drehte er sich zur offenen Tür und trotte heraus. Der Dackel trippelte hinter ihm her, anschließend schloss Clara die Tür. In der Küche stand bereits der Eimer mit den Putzmitteln.
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„Einen zweiten Termin?“
Professor Lindberg lachte und seine Haut bildete tiefe Furchen. Dann beugte er sich langsam über seinem Pult nach vorne. Der Oberkörper drängte Bücher und Manuskripte zur Seite, ein paar Stifte fielen um und rollten über den Schreibtisch.
„Sie sind nun mal durchgefallen! Nächstes Jahr haben Sie wieder Gelegenheit die Prüfung zu wiederholen!“
Bei den Worten funkelten seine Augen, dann lehnte er sich nach hinten und strich die weißen borstigen Haare in die gleiche Richtung.
Professor Lindberg gehörte zu den ältesten Dozenten, der Fakultät. 87 lange Jahre zeichneten sich wie Jahresringe in seine lederne Haut. Er wollte die Uni nicht verlassen. Sie nannten ihn sogar den weißen Wolf – und er besaß Zähne. Einige Male hatte man schon versucht, ihn in den Ruhestand zu drängen. Doch er fand immer eine Möglichkeit, seinen Platz zu behaupten und keiner wagte es, ihm diesen streitig zu machen. Dafür war er viel zu cholerisch, imposant und explosiv. Aber er wusste auch, dass er die Zeit nicht stoppen konnte. Sein Ende wurde wie ein eintreffender Zug ausgerufen: Bitte zurücktreten! Professor Lindberg steigt ein.
„Das kann aber nicht sein. Während der Prüfung sagten Sie mir, dass ich bestanden hätte.“
„Nur den ersten Teil, nicht den zweiten!“
„Aber ich kann kein Jahr warten“, sagte Clara und kämpfte gegen die Hitze, die ihr über den Rücken nach oben kroch. „Mein Kredit endet in zwei Jahren. Wenn ich ein Jahr verliere, kann ich den Abschluss nicht machen.“
„Das ist natürlich Pech. Aber was soll ich machen? Wenn Sie sich ihr Studium nicht leisten können, dann sollten Sie sich vielleicht was anderes suchen.“
„Ich habe viel gelernt. Nur in dem einen Bereich kannte ich mich nicht so gut aus, dafür habe ich doch andere Sachen gewusst.“
„Was wollen Sie denn eines Tages ihren Patienten sagen, wenn Sie etwas nicht wissen: „Entschuldigung, das hat mich nicht so interessiert? Ich kann ihnen nicht weiterhelfen?“ Oder stellen sie sich hin und weinen?“
„Das war nur eine kleine falsche Antwort –“
„Aber“, unterbrach er sie und dirigierte mit seinem Finger vor ihrem Gesicht herum. „Die war am wichtigsten. Wenn Sie Parasympathikus nicht von Sympathikus unterscheiden können, sind Sie hier falsch. Bei uns geht es um Menschenleben. Sie wollen doch Menschen retten, oder? Wenn nicht, dann sollten Sie sich einen anderen Beruf suchen. Werden Sie Krankenschwester. Oder Friseur. Ich sag Ihnen nur eins: Sie werden niemals ein Arzt. Niemand wird Ihnen das jemals abkaufen.“
Ein Jahr? Ein Jahr lang dasselbe Chaos, der Stress, wochenlang lernen, um dann wieder in der Zwischenprüfung vor Lindberg zu sitzen. Das Wissen, das er als so lebenswichtige Antwort definierte, war nur ein kleiner Fehler gewesen. Andere Dozenten sähen darüber hinweg. Wieder Anderen wäre das nicht einmal aufgefallen. Hatte sie zu wenig gelernt? Auf keinen Fall! Eigentlich kannte sie sogar den Unterschied zwischen Parasympathikus und Sympathikus. Es waren einfach nur zwei verschiedene Nervensysteme mit gegensätzlichen
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