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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Stirn zukehrte. Von Zeit zu Zeit kamen unbestimmte Geräusche aus dem in Nebel gehüllten Unbekannten: das Rollen von Rädern, Getrappel großer Massen, der weit entfernte Trab von Pferden. Es waren das Bewegungen im Nebel verborgener Truppen, die Entwicklung des ganzen siebenten Korps, das seine Gefechtsstellungen bezog. Seit ein paar Augenblicken aber schien es, als würden die Nebelschwaden leichter. Wie Tüllfetzen flog es in die Höhe, einzelne Ausschnitte der Umgebung wurden sichtbar, allerdings noch trübe, etwa wie das ernste Blau tiefen Wassers. Und da in einem dieser Lichtblicke zogen wie ein Gespensterzug die Regimenter der Chasseurs d'Afrique an ihnen vorüber, die einen Teil der Division Margueritte bildeten. Hochaufgerichtet in ihren Sätteln trieben sie mit ihren kurzen Jacken und den breiten roten Gürteln ihre Pferde vorwärts, kleine, unter ihrem Riesengepäck halb verschwindende Tiere. Erst eine Schwadron, dann wieder eine; und so schienen sie alle in dem feinen Sprühregen wegzuschmelzen, aus dem Ungewissen kommend, um wieder in ihm zu verschwinden. Sie waren zweifellos nur im Wege und wurden weiter weggeschickt, weil man nichts mit ihnen anzufangen wußte, genau wie es auch im Beginn des Feldzuges gewesen war. Als Aufklärer waren sie kaum jemals verwendet worden, und sowie die Schlacht sich entwickelte, führte man sie aus einem Tal ins andere spazieren, denn sie waren zu kostbar und unnütz.
    Maurice sah zu ihnen hinüber und dachte an Prosper.
    »Sieh,« murmelte er, »vielleicht ist er auch da hinten.«
    »Wer denn?« fragte Jean.
    »Der Bursche aus Remilly, weißt du, dessen Bruder wir in Oches trafen.«
    Aber die Jäger waren vorbei, als wieder ein heftiger Galopp ertönte, ein Stab, der den abschüssigen Weg ins Tal hinabsauste. Diesmal erkannten Jean und Maurice ihren Brigadegeneral Bourgain-Desfeuilles, der heftig den Arm schwenkte. Endlich hatte er sich also herabgelassen, aus dem Wirtshause zum Goldenen Kreuz aufzubrechen; seine schlechte Laune drückte deutlich genug seinen Ärger darüber aus, daß er so früh hatte aufstehen müssen, und das unter so jammervollen Unterkunfts- und Nahrungsverhältnissen.
    Seine Donnerstimme tönte klar herüber.
    »He! Gottsdonnerwetter! Mosel oder Maas, endlich ist doch das Wasser da!«
    Der Nebel stieg indessen in die Höhe. Genau wie in Bazeilles war es wie das plötzliche Sichtbarwerden eines Bühnenbildes hinter dem langsam zum Bühnenhimmel emporschwebenden Vorhang. Heller Sonnenschein rieselte vom blauen Himmel herab. Und sogleich erkannte Maurice nun auch, wo sie gelegen hatten.
    »Ah, wir sind auf der Algier-Ebene...« sagte er zu Jean. »Siehst du auf der andern Seite des Tales uns gegenüber das Dorf, das ist Floing, und da unten das ist Saint-Menges; und noch weiter, das ist Fleigneur... Dann ganz im Hintergrunde da im Ardennerwalde die mageren Bäume am Horizont, das ist die Grenze...«
    Mit ausgestreckter Hand fuhr er fort. Die Algier-Hochebene, eine etwa drei Kilometer lange Fläche rötlichen Grundes, fiel sanft vom Garennegehölz nach der Maas hin ab, von der sie durch Wiesen getrennt wurde. Hier hatte General Douay das siebente Korps voller Verzweiflung über den Mangel genügender Leute zur Verteidigung einer so ausgedehnten Linie aufgestellt und um sich fest gegen das erste Korpsanzulehnen, das rechtwinklig zu ihm den Givonnegrund vom Garennegehölz bis nach Daigny besetzt hielt.
    »Nicht wahr? ist das großartig, ist das großartig!«
    Und Maurice drehte sich herum und fuhr mit der Hand am Horizont entlang. Vor der Algierebene entfaltete sich das ganze gewaltige Schlachtfeld gegen Süden und Westen; zunächst Sedan, von dem man die die Dächer überragende Zitadelle sah; dann Balan und Bazeilles in einem hartnäckigen trüben Dunst, im Hintergrunde schließlich die Hügel des linken Ufers, den Liry, die Marfée, die Croix-Piau. Aber vor allem dehnte sich der Blick nach Westen gegen Donchery aus. Die Maasschleife umschloß mit ihrem blassen Bande die Halbinsel von Iges; und jetzt konnte man hier auch ganz genau sehen, wie die enge Straße nach Saint-Albert entlang lief zwischen dem Ufer und einem steil abfallenden Hügel, der weiterhin von dem Gehölz von Seugnon gekrönt war, einem Ausläufer des Waldes von la Falizette. Bei dem Kreuzweg oben auf dem Hügel ging der Weg nach Vrignes-aux-Bois und Donchery ab.
    »Siehst du, dort hinten hätten wir auf Mézières zurückgehen können.«
    Genau in dieser Minute fiel der erste Schuß

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